In der Südsee. Zweiter Band
neugierige Männer und Frauen. Drinnen stauten sich Insulaner jeden Alters und jeder Größe, in jedem Stadium der Nacktheit und des Putzes. So dicht hockten wir übereinander, daß ich einmal eine mehr als hübsche Frau auf dem Schoße hielt, – während zwei nackte kleine Buben ihre Füße gegen meinen Rücken stemmten. Dort sah man eine Matrone in voller Toilette, mit Holoku und Blumenhut, während ihre Nachbarin im nächsten Augenblick einen winzigen Fetzen Hemd von ihren fetten Schultern streifte und sich als ein Monument an Fleisch entpuppte, das von dem haarschmalen Ridi eher enthüllt als geschützt wurde. Kleine Fräulein, die sich für viel zu vornehm hielten, um an einem so hohen Festtage nackt zu gehen, sah man draußen im hellen Sonnenschein stehen bleiben, ihre Miniaturridis in der Hand; einen Augenblick später betraten sie dann in vollem Schmuck den Konzertsaal.
An den beiden Enden lösten sich abwechselnd die verschiedenen Sängergruppen ab; Kuma und Klein-Makin am Nordende, Butaritari und die angrenzenden Dörferim Süden, beide Parteien in vollem barbarischen Aufputz. In der Mitte zwischen diesen rivalisierenden Troubadourlagern stand eine Bank. Hier thronten zwei bis drei Fuß über dem dichtgedrängten Publikum der König und die Königin – Tebureimoa wie gewöhnlich in seinen gestreiften Pyjamas mit einem Ledersäckchen über der einen Schulter, das (nach Inselart) zweifellos seine Pistolen enthielt; die Königin in einem purpurfarbenen Holoku mit wallenden, heruntergelassenen Haaren, einen Fächer in der Hand. Die Bank war in wohlerwogener Rücksicht mit der Front zu den auswärtigen Gästen gestellt, und wenn die Reihe, zu fingen, an die Butaritari-Leute kam, mußte das Paar sich umdrehen und zeigte uns seine breiten Rücken. Gelegentlich trösteten sich die Majestäten mit einem Lehmpfeifchen, während der Pomp und die Galafeierlichkeit durch Abfeuern der Gewehre einer Abteilung Garde erhöht wurde.
So hockten wir vor dem Angesicht des Herrscherpaares auf dem Boden und lauschten verschiedenen Gesängen von der einen wie von der anderen Partei. Dann zogen sich die Majestäten mit ihrer Garde zurück, und der Königin Victoria Sohn und Schwiegertochter wurden durch Akklamation auf den leeren Thron berufen. Unser Stolz wurde allerdings ein wenig gedämpft, da sich ein gewisser Tunichtgut von einem Weißen auf unserem hohen Platz zu uns gesellte, und doch war es mir auf der anderen Seite wieder ganz lieb, denn der Mann kannte ein wenig die Inselsprache und konnte mir eine Ahnung von dem Inhalt der Gesänge vermitteln. Der eine war patriotisch und forderteKönig Tembinok von Apemama, das Schreckgespenst der ganzen Inselgruppe, heraus, in Butaritari zu landen. Der andere handelte von der Tarosaat und Ernte. Noch andere waren historisch und feierten verstorbene Könige und ihre alten Heldentaten, wie zum Beispiel ein großes Wettrinken oder eine Schlacht. Einer zum mindesten behandelte ein häusliches Drama, das von einer Truppe aus Makin glänzend aufgeführt wurde. Es handelte von einem Mann, dessen Frau gestorben war, und der anfänglich ihren Verlust beweint, sich dann aber eine andere nimmt; die ersten Gesänge (oder Akte) wurden ausschließlich von Männern vorgetragen, gegen Schluß trat jedoch eine Frau auf, die auch erst kürzlich ihren Gatten verloren hatte, und ich glaube, das Paar tröstete sich gegenseitig, denn das Finale schien glücklich zu sein. Bezüglich der Lieder erklärte mir mein Cicerone summarisch, daß sie von »Weibern« handelten, was ich freilich auch ohne ihn erraten hatte. Ich muß noch hinzufügen, daß jede Partei durch eine oder zwei Frauen verstärkt wurde. Die Frauen wirkten stets als Solisten mit und nahmen nicht häufig an der Vorstellung teil, sondern hielten sich meist im Hintergrunde der Bühne auf; in ihren Ridi, Halsketten und Frisuren glichen sie europäischen Balletteusen, wie ein Ei dem anderen. Immer wenn die Vorstellung sich irgendwie in die Länge zog, traten diese Damen vor, und es war seltsam anzusehen, wie die Primaballerina nach jedem Auftreten scheinbar von Scham überwältigt war, als hätte sie sich weit über das Maß dessen, was sie beabsichtigte, hinreißen lassen, und wie ihre männlichenKollegen sie zum Schein gleich jemanden, der sich mit Schande bedeckt hat, von der Bühne vertrieben. Ähnliche Manöver begleiten auch die wahrhaft obszönen Tänze auf Samoa; dort sind sie in der Tat auch am Platze. Hier ist es aber ganz anders. Die
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