In der Südsee. Zweiter Band
jener alte, beliebte Schulscherz von dem Schläfer mit der Maus erregten helles Entzücken; der Clou jedoch war die Bilderfolge aus den Evangelien. Maka zeigte sich bei dieser Gelegenheit nach Ansicht seiner tief enttäuschten Gattin nicht im besten Lichte. »Was hat der Mann nur? Weshalb kann er nicht reden!« rief sie. Was den Mann hinderte, war, meiner Meinung nach, die Größe der Gelegenheit, die sich ihm bot; er brach unter seinem Glücke förmlich zusammen. Doch das war einerlei; ob er nun schlecht oder gut redete, die Vorführung dieser frommen »Phantome« brachte tatsächlich jeden Spötter in jener Gegend der Insel zum Schweigen. »Seht doch,« hieß es allgemein, »seht doch, die Bibelist wirklich wahr!« Als wir später nach Butaritari zurückkehrten, erzählte man uns, daß der Eindruck immer noch lebendig wäre, und daß die, welche die Bilder gesehen hätten, den anderen davon berichteten: »Ja, ja, es ist alles wahr; diese Dinge haben sich alle ereignet, wir haben die Bilder gesehen.« Das Argument ist gar nicht so kindisch, wie es auf den ersten Blick scheint, denn ich bezweifle, ob die Insulaner eine andere Methode der Darstellung als die der Photographie kennen, so daß die Wiedergabe einer Begebenheit (nach dem alten melodramatischen Prinzip, daß eine Kamera nicht lügen kann) in Wahrheit einen starken Beweis bietet. Die Tatsache amüsierte uns um so mehr, als unsere Bilder zum Teil lächerlich komisch waren und das eine (Christus vor Pilatus) mit brüllendem Gelächter aufgenommen wurde, in das selbst Maka notgedrungen mit einstimmen mußte.
Sonntag, den 28. Juli. – Karaiti erschien heute und ersuchte um eine Wiederholung der »Phantome« das war jetzt der allgemein anerkannte Ausdruck – und kehrte dann, nachdem wir es ihm versprochen hatten, unserem bescheidenen Hause ohne auch nur den Schatten eines Grußes den Rücken. Ich fühlte, daß es unpolitisch gewesen wäre, wenn ich mir den Anschein gegeben hätte, als steckte ich stillschweigend eine Beleidigung ein; dazu hatten wir allzu schwierige Zeiten durchgemacht, und der Königin Victoria Sohn war verpflichtet, die Ehre des Hauses zu wahren. Karaiti wurde daher noch am gleichen Abend zu den Ricks beschieden, wo Mrs. Ricks ihn tüchtig herunterputzte, und der Sohn der Königin Victoria ihnmit indignierten Blicken traktierte. Ich war in der Tat der Esel in der Löwenhaut; brüllen konnte ich in der Sprache der Gilbert-Inseln nicht, aber ich konnte Blicke schießen. Karaiti erklärte darauf, er hätte nichts Böses im Sinne gehabt, entschuldigte sich in einer aufrichtigen, herzlichen, durchaus kavaliermäßigen Art und wurde sofort wieder er selbst. Dann ließ er sich einen Dolch hereinbringen, für den er sich interessierte, und sagte, er würde morgen wiederkommen, um ihn abzuschätzen; heute wäre Sonntag. Diese Gewissensskrupel bei einem Wilden, der acht Frauen hatte, setzten mich einigermaßen in Erstaunen. Der Dolch, meinte er schelmisch, »sei gut, um Fische zu töten«; dabei hatte er zweibeinige Fische im Sinn. Sonderbar, daß »Fische« in Ost-Polynesien eine gebräuchliche euphemistische Bezeichnung für Menschenopfer sind. Als wir ihn nach der Bevölkerungszahl seiner Insel fragten, rief er seine Vasallen herein, die draußen vor der Tür warteten, und sie schätzten sie auf vierhundertundfünfzig Seelen, doch werden es dank Karaitis Jovialität bald mehr sein, denn sämtliche Frauen der Insel sind von ihm in anderen Umständen. Lange bevor wir auseinandergingen, hatte ich seine Beleidigung vergessen, er jedoch behielt sie im Sinn und stattete uns am nächsten Tage, einer besonders liebenswürdigen Eingebung folgend, einen langen Besuch ab, nach dessen Verlauf er sich mit größtem Zeremoniell verabschiedete. Montag, den 29. Juli. – Endlich war der große Tag gekommen. In den ersten Nachtstunden wurden wir durch Händeklatschen und durch den Gesang auf Nei Kamaunava aufgeschreckt; die melancholischen, getragenenund etwas drohenden Klänge wurden von Zeit zu Zeit durch einen markerschütternden Schrei unterbrochen. Dabei sahen wir das kleine Stückchen Mensch, dem zuliebe diese mitternächtliche Ehrung stattfand, am nächsten Mittag splitterhagelnackt und anscheinend ebenso unbeobachtet und unbesorgt auf der Wiese spielen.
Der Sommersaal auf dem künstlichen Inselchen hob sich scharf gegen die schimmernde Lagune ab und glänzte mit seinem Wellblech in der Sonne. Heute umdrängten ihn von morgens früh bis abends spät
Weitere Kostenlose Bücher