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In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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leidenschaftlichen Ekstase, die ihn von Kopf bis zu Fuß durchraste, förmlich verklärt; einmal war es, als fege ein starker Wind über die Bühne – ihre Arme, die federgeschmückten Finger zitterten in einer Bewegung, die auch meine Nerven packte; Köpfe und Körper folgten nach, gleich einem sturmgepeitschten Kornfeld. Mein Blut wurde heiß und wieder kalt, Tränen stiegen mir in die Augen, mein Kopf schwankte, ich fühlte einen fast unwiderstehlichen Drang, mich den Tänzern anzuschließen. Das eine Drama habe ich, glaube ich, fast ganz verstanden. Ein wilder, blutdürstiger alter Mann spielte die Solorolle. Er sang von der Geburt eines Prinzen, und wie er zärtlich in seiner Mutter Arm gewiegt wurde; von seiner Kindheit, da er seine Kameraden im Schwimmen, Klettern, ja in allen Leibesübungen übertraf; von seiner Jugend, als er mit seinem Boot in See stach und fischen ging; von seiner Mannheit, da er ein Weib nahm, die einen Sohn von ihm in ihren Armen trug. Dann kam der Alarm des Krieges und eine große Schlacht, deren Ausgang eine Zeitlang zweifelhaft war; aber der Held siegte, wie er das immer tut, und mit einem ungeheuren Triumphschrei endete das Stück. Es gab auch humoristische Dramen, die die Leute sehr amüsierten. Während des einen faßte mich ein alter Mann, der hinter mir saß, am Arm, drohte mir schelmisch lächelnd mit dem Finger und sagte kichernd irgendeine Sache, die ich als die Parallele zu etwa den folgenden Worten verstand: »Oh ihr Weiber, ihr Weiber; so seid ihr alle!« Ich fürchte, sehr schmeichelhaft war die Sache nicht. Kein einziges Mal jedoch auch nur die geringste Spurvon der häßlichen Indezenz der östlichen Inseln. Die Musik selbst war mindestens so kunstvoll wie die unsrige, wenn auch auf einer ganz anderen Basis; ein- oder zweimal überraschten mich Anklänge an die beste, englische Kirchenmusik, doch war das immer nur ganz vorübergehend. Endlich kam eine längere Pause, und diesmal sprangen sämtliche Tänzer auf. Mit dem Drama wuchs auch das Interesse. Die Darsteller riefen das Publikum und den Himmel an. Sie berieten miteinander, die Verschwörer drängten sich in einem Haufen zusammen; es war die reinste Oper, die Trommeln schlugen im richtigen Moment, Tenor, Bariton und Baß, alles war vorhanden – nur hatten die Stimmen samt und sonders die gleiche Klangfarbe. Einmal sang eine der Frauen aus den hinteren Reihen mit einer sehr schönen Altstimme, die nur durch einen Nasallaut verunziert wurde; ich habe bemerkt, daß sämtliche Frauen diese Unsitte affektieren. Das andere Mal war ein Knabe von engelhafter Schönheit der Solist, dann wieder wurde ein sechs- bis achtjähriger Junge, ohne Zweifel ein trainiertes Wunderkind, in die Mitte des Kreises gestellt. Der kleine Kerl war anfänglich furchtbar ängstlich und verlegen, doch sang er sich zum Schluß frei und zeigte viel dramatisches Talent. Der wechselnde Ausdruck auf den Gesichtern der Tänzer war so sprechend, daß ich mir sehr dumm vorkam, die Handlung nicht zu verstehen.«
    Unser Nachbar bei diesen Vorstellungen, Karaiti, gleicht ein wenig Seiner Majestät in Gesicht und Figur; wie jener ist er dick, bärtig und von orientalischem. Typus. Im Charakter ist er jedoch das gerade Gegenteil:aufgeweckt, heiter, jovial, zu Scherzen geneigt und fleißig. Zu Hause auf seiner eigenen Insel arbeitet er selbst wie ein Sklave und treibt sein Volk wie ein Sklavenhalter zur Arbeit an. Für Ideen bezeugt er ein lebhaftes Interesse. George, der Händler, erzählte ihm einmal von Flugmaschinen. »Ist das auch wirklich wahr, George?«, fragte er. »Es steht in der Zeitung«, entgegnete George. »Nun,« sagte Karaiti,« wenn der Mann das mit Maschinen kann, kann ich es ohne sie.« Und er konstruierte ein paar Flügel, schnallte sie sich an die Schultern, ging an das Ende der Landungsbrücke, sprang in die Luft und plumpste schwerfällig ins Meer. Seine Frauen zogen ihn wieder heraus, denn seine Flügel hinderten ihn am Schwimmen. »George,« sagte er und hielt auf dem Wege nach Hause inne, um sich trockene Kleider anzulegen, »George, du lügst.« Er besaß acht Frauen, denn sein kleines Reich hat noch die alten Sitten treulich bewahrt, allein er wurde sehr verlegen, als man dies meiner Frau erzählte. »Sage ihr aber, daß ich nur eine mitgebracht habe«, meinte er besorgt. Im großen und ganzen gefiel uns der schwarze Douglas außerordentlich, und als wir immer wieder von des Königs Unruhe hörten und uns selbst überzeugten, daß

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