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In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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einzutreten, sicherlich bereitete ihnen die bloße Nachbarschaft schon ein gewisses Vergnügen. Das Innere desRiesenschuppens war etwa zur Hälfte dicht gedrängt voll Menschen. In der Mitte auf dem königlichen Podium qualmte und leuchtete die Laterne; ihre trüben Strahlen fielen auf das feierliche Gesicht unseres Chinesen, der voll Biereifer eine Drehorgel drehte; ein matter Schein traf die Dachbalken und zeichnete ihre Schatten in die Deckenwölbung. Die Bilder tauchten auf der Leinwand auf und verschwanden wieder, und mit jedem neuen Bild kam eine Stille und durchlief ein Flüstern, ein Schauer und ein Rauschen die Menge, und ein Chor leiser Ausrufe wurde laut. Neben mir saß der Maat eines gestrandeten Schoners. »'Ne sonderbare Sache würden sie das in Europa oder in den Staaten finden«, meinte er, »so 'ne Vorstellung in einem Gebäude, das nur mit Endchen von Bindfaden zusammengehalten ist.«
Siebentes Kapitel. Mann und Frau
    Der Händler, der an die Sitten Ostpolynesiens gewöhnt ist, muß auf den Gilbert-Inseln allerlei umlernen. Das Ridi ist ein recht dürftiges Bekleidungsstück; noch vor dreißig Jahren gingen die Frauen bis zu ihrer Heirat nackt; es ist keine zehn Jahre her, daß dieser Brauch vereinzelt noch im Schwange war, und derartige Tatsachen vermitteln, besonders wenn man sie nur vom Hörensagen kennt, einen ganz falschen Begriff von den Sitten der Gruppe. Ein sehr intelligenter Missionar schildert die Gilbert-Inseln (in ihrem früheren Entwicklungsstadium) als ein »Paradies nackter Frauen« (für die Weißen). Zum mindesten aber war es ein platonisches Paradies, in das ein Don Juan sich nur mit Lebensgefahr wagen durfte. Seit 1860 sind auf einer einzigen Insel allein vierzehn Weiße, alle aus dem nämlichen Grunde, ums Leben gekommen; alle waren dort gefunden worden, wo sie nichts zu suchen hatten, und alle wurden dafür von irgendeinem empörten Familienvater aufgespießt. Diese Zahl wurde mir von ihren vorsichtigeren und daher noch am Leben gebliebenen Genossen genannt. Die seltsame Beharrlichkeit der vierzehn Märtyrer scheint zwar auf eine Monomanie oder auf eine Epidemie romantischer Passionen zu deuten, doch ist die Ursache höchstwahrscheinlich nur Gin. Da saßen die armen Raubvögel ganz alleine in ihren Häusern neben einem offenen Faß; sie tranken;ihr Gehirn entflammte sich; so taumelten sie in das nächste, beste Haus hinein, und der rächende Pfeil traf sie in Nieren und Herz. An Stelle eines Paradieses fand der Händler einen Archipel, in dem es von wilden Ehemännern und tugendhaften Frauen wimmelte. »Natürlich ist es auch hier nicht anders als sonstwo, wenn sie ihnen wirklich den Hof machen wollen«, bemerkte recht unschuldig der Händler; allein er und seine Gefährten spürten nun mal selten Lust dazu.
    Eine Tugend kann man den Händlern nicht absprechen: sie sind meist treue und gütige Gatten. Ich bin mit einigen der schlimmsten Rowdies des Pacific, mit den letzten Überlebenden der alten Schule, zusammen gekommen, und sie waren vortrefflich zu ihren eingeborenen Frauen, ja, einer war als Witwer einfach untröstlich. Die Stellung dieser Frauen ist auf den Gilbertinseln ganz besonders beneidenswert. Alle teilen die Immunität ihrer Gatten. Vergeblich läutet für sie in Butaritari die Abendglocke. Lange nachdem die vornehmen Inseldamen für die Dauer der Nacht an ihr eigenes Haus gefesselt sind, dürfen diese gesetzlich geschützten weiblichen Libertins noch durch die verödeten Straßen laufen und kichern, oder in der Dunkelheit zum Baden gehen. Das Warenlager ihrer Gatten steht ihnen zur Verfügung; sie gehen wie die Fürstinnen gekleidet und speisen tagtäglich die delikatesten Leckerbissen, Büchsenfleisch usw. Und sie, die unter ihresgleichen vielleicht gar keinen Rang einnehmen würden, sitzen jetzt mit Kapitänen am Tisch und werden an Bord der Schoner gefeiert. Fünf dieser privilegierten Damen waren vorübergehend unsere Nachbarinnen. Vierdavon waren hübsche, schalkhafte Frauenzimmerchen, verspielt wie die Kinder und wie Kinder zum Schmollen aufgelegt. Tagsüber trugen sie Kleider, aber des Nachts bezeigten sie eine gewisse Neigung, das fremde Zeug abzustreifen und sich in ihrem ursprünglichen Ridi auf dem Grase zu tummeln und zu vergnügen. Karten wurden tagaus tagein gespielt, und Muscheln dienten dabei als Zahlmarken; der Verlauf des Spieles wurde häufig durch Mogeln gestört, und jede Runde löste sich zum Schluß (besonders wenn ein Mann dabei war)

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