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In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Dorfbewohner auf Armeslänge von uns fern. Und was »meine Pamili« betrifft, so hauste sie wie die Nonnen in ihren eigenen vier Wänden. Ein einziges Mal nur bin ich einer der Frauen, und zwar des Königs Schwester, an einem Orte begegnet, der wahrscheinlich ausnahmsweise für sie freigegeben war. Es war das Dorfhospital. Also wäre nur noch über den König selbst zu berichten. Dieser pflegte stets allein, kurz vor dem Essen, zu uns herüber zu spazieren, Platz zu nehmen, mitzuessen und sich wie ein alter Freund der Familie mit uns zu unterhalten. Bei diesen Gelegenheiten wollte es mir erscheinen, als gäbe es in der Etikette der Gilbertinseln hinsichtlich der Frage des Aufbrechensbei Gesellschaften eine Lücke. Man erinnert sich vielleicht, daß wir in diesem Punkte bereits mit Karaiti zusammengestoßen waren. Es lag etwas Kindisches und Störendes in Tembinoks abruptem »Ie jess Hause gehen wollen«, das stets von einem sprunghaften Aufstehen und einem ungeschminkten Rückzug gefolgt wurde. Das war aber auch der einzige Makel an seinen Manieren, die sonst stets schlicht, anständig, vernünftig und würdevoll waren. Niemals blieb er lange, nie trank er viel, und immer kopierte er unser Benehmen, sobald er sah, daß es in irgendeiner Beziehung von dem seinen abwich. So gewöhnte er es sich zum Beispiel sehr bald ab, mit dem Messer zu essen. Es war ganz klar, daß er beschlossen hatte, aus unserem Besuch in jeder Hinsicht, vornehmlich aber in Punkto Etikette, auch das kleinste Quäntchen Nutzen herauszupressen. Viel Kopfzerbrechen machte ihm der Rang seiner weißen Besucher; er pflegte einen Namen nach dem andern auf das Tapet zu bringen und zu fragen, ob der Betreffende ein »dlossah Häupling« oder überhaupt ein »Häupling« wäre, wodurch ich, da ich einige dieser Personen zu meinen sehr guten Freunden rechnete und keiner wirklich in Purpur geboren war, mitunter in einige Verlegenheit geriet. Daß man unsere verschiedenen Bevölkerungsklassen an ihrer Redeweise unterscheiden könne, machte auf ihn einen tiefen Eindruck, ebenso daß gewisse Worte (zum Beispiel) auf dem Achterdeck eines Kriegsschiffes tapu sind. Er bat mich deshalb auch, auf seine Rede zu achten und ihn zu korrigieren, allein wir waren, in der Lage ihm zu versichern, daß tatsächlich nichts zu verbessern wäre. Sein Wortschatz ist im Gegenteilerstaunlich treffend und reichhaltig. Der Himmel allein weiß, wo er ihn gesammelt hat, doch hat er dabei durch Instinkt oder Zufall alle profanen und gewöhnlichen Ausdrücke vermieden. »Verpflichten, erstochen, nagen, Portikus, Macht, Gesellschaft, schlank, glatt und wunderbar« sind einige der unerwarteten Worte, mit denen er seinen Jargon bereichert hat. Was ihn jedoch wohl am meisten entzückte, war die Neuigkeit, daß vor dem Achterdeck eines Kriegsschiffes salutiert wird. Seine Dankbarkeit für diesen Wink war geradezu überschwänglich. »Schonah Käp'n, eh mih niss sagen,« rief er, »ie glauben, eh niss wissen! Du wisen ssu viel; wissen Timah, Steamer. , wissen Kiessiff. Iss glauben, du wissen alles.« Doch quälte er mich häufig genug mit seinen ewigen Fragen, und nicht selten gab der falsche »Kindermann« sich vor diesem Serenissimus eine arge Blöße. Ein solcher Fall ist mir besonders in der Erinnerung haften geblieben. Wir führten ihm die Laterna Magica vor. Unter anderem erschien auch ein Bild von Windsor Castle, und ich erklärte ihm, das wäre das Haus der Königin Victoria. »Wieviel Faden hoch?», lautete die Frage, und ich stand da, wie auf den Mund geschlagen. Hier sprach der Bauherr, der unermüdliche Architekt; trotz seiner Sammelwut sammelte er nur nützliche Kenntnisse, und seine Fragen verfolgten alle einen Zweck. Nach den Etikettefragen interessierte er sich in der Hauptsache für Regierungspolitik, Gesetze, Polizei, Geldwesen und Medizin, alles Dinge, die für ihn als König und Vater seines Volkes von größter Wichtigkeit waren. Meine Pflicht war es, ihn nicht nur mit neuenInformationen zu versorgen, sondern auch die alten zu korrigieren. »Mein Patah, eh mih sagen«,– oder »Weiße Mann, eh mih sagen« – so lautete unfehlbar der Anfang, und dann – »Du glauben, eh lügen?« – Manchmal glaubte ich es in der Tat. Einmal trat Tembinok mit einem Problem an mich heran, das ich anfangs gar nicht begreifen konnte. Der Kapitän eines Schoners hatte ihm einmal von Kapitän Cook erzählt; der König hatte sich sehr für die Geschichte interessiert und wandte sich, zwecks

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