In der Südsee. Zweiter Band
mir in kunstvoller Weise die Situation. »Nein; ie sie bessahlen,« bemerkte er einmal. »Ie sie geben Tabak. Sie fü miss albeiten ganss wie Blüdah.« Diese Leute tragen sämtliche Zeichen der Sklaverei an sich – Leichtfertigkeit, die an Kindischsein grenzt, unverbesserliche Trägheit und unheilbare Zufriedenheit. Die Unverschämtheit des Kochs war ein origineller Zug, nicht so sein Mangel an Ernst, den er mit Onkel Parker teilte. Beide tanzten gleich sorglos im Schatten des Galgens herum und schlugen dem Tode so respektlose Schnippchen, daß ein oberflächlicher Beobachter der menschlichen Natur sich wundern mußte.Von Parker schrieb ich, daß er sich wie ein zehnjähriger Junge benehme: war er, der sechzigjährige Sklave, denn auch etwas anderes? Sein ganzes Leben hatte er in einer Schule verbracht; man hatte für ihn gesorgt, ihn ernährt, ihn gekleidet und geschulmeistert: an den Gedanken der Strafe hatte er sich gewöhnt und kokettierte deshalb mit ihr. Durch Furcht kann man die Menschen zwar lange treiben, aber nicht weit bringen. Hier in Apemama müssen sie sich ständig unter drohender Lebensgefahr plagen und haben sich in eine Lethargie der Faulheit hineingerettet. Es ist durchaus kein ungewöhnlicher Anblick, einen Mann unter einer steifen Matte, in der er, die Ellenbogen an die Hüften gedrückt, wie ein Hahn, dem man die Beine zusammengebunden hat, einherspaziert, auf die Felder gehen zu sehen. Dort muß die eine Hand, was immer auch die andere tun mag, feiern und das Kleidungsstück zusammenhalten, damit er es nicht verliert. Ebenso häufig sieht man zwei Männer an einer Stange einen einzigen Eimer Wasser tragen. Nun geht es zwar an, daß zwei Mann sich in eine Kirsche teilen: daß aber aus eines einzigen Soldaten Marschausrüstung zwei Lasten gemacht werden, nur um noch keine hundert Meter getragen zu werden, übersteigt jedes Maß. Die Frauen verkommen auch weniger rasch in der Sklaverei, da sie die weniger kindischen Tiere find. Ich habe die Frauen von Apemama, selbst in Abwesenheit des Königs, ja, wenn sie ganz allein waren, ausdauernd arbeiten sehen. Dagegen ist das Höchste, auf das man bei einem Manne hoffen darf, daß er unter äußerster Schonung seiner Kräfte ruckweise eine Arbeit beginnt, nurum in den Zwischenpausen müßig herumzulungern. So habe ich einen Maler arbeiten sehen, die Pfeife im Munde, während sein Freund ihm am Atelierfeuer Gesellschaft leistete. Man könnte meinen, die Rasse ermangele überhaupt jeder Höflichkeit und Lebenskraft, wenn man sie nicht beim Tanze beobachtet hätte. Nacht für Nacht und mitunter auch ganze Tage lang schmettern sie in dem großen Sprechhaus ihre Chorgesänge in die Luft hinaus – feierliche Andanten und Adagios, die von Händeklatschen begleitet und mit einer Kraft gesungen werden, daß die Wände davon erzittern. Dabei ist der Takt nicht einmal sehr langsam, wenn auch langsamer als der sonst auf den Inseln gebräuchliche; ich habe vielmehr nur an seine Wirkung auf die Zuhörer gedacht. Ihre Musik klingt aus der Nähe wie Kirchenmusik und erscheint dem europäischen Ohr gleichmäßiger als die meisten Inselgesänge. Zweimal habe ich auch beobachtet, daß eine Disharmonie ganz regelrecht aufgelöst wurde. Aus der Ferne dagegen, in Äquatorstadt vernommen, schien sich der Rhythmus zu heben und zu senken, und erschollen die Stimmen wie Hundegebell aus einem fernen Zwinger.
Die Sklaven sind entschieden nicht überarbeitet – zehnjährige Kinder vermögen ohne Überanstrengung mehr zu leisten – und die Apemama-Arbeiter kennen auch Feiertage, an denen das Singen schon früh am Nachmittage anfängt. Ihre Kost ist dagegen rigoros – Kopra und eine Süßigkeit aus zerstampftem Pandanus sind die einzigen Gerichte, die außerhalb des Palastes gegessen werden, doch ist an der Menge der Nahrung nichts auszusetzen, und der König teilt mit dem Volkseine Schildkröten. Während unseres Aufenthaltes wurden ihm drei dieser Tiere aus Kuria geschickt: das eine wurde für den Palast reserviert, das andere uns und das dritte dem Dorfe übersandt. Die Insulaner haben die Gewohnheit, die Schildkröte mitsamt dem Rückenschild zu kochen; man hatte uns aber die Schale versprochen, und wir baten daher, diesen törichten Brauch unter Tapu zu stellen. Sofort verfinsterte sich das Antlitz Tembinok's, und er gab keine Antwort. Ein Zögern in der Frage des Brunnens konnte ich verstehen, denn Wasser ist rar auf einer flachen Insel; daß er sich aber weigern könnte,
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