In der Südsee
und der Lobgesang auf Nei Kamaunava. Die melancholischen, langsamen und manchmal drohenden Rhythmen wurden stellenweise von schrecklichem Geschrei unterbrochen. Das kleine Menschenkind, das in den dunklen Stunden auf diese Weise gefeiert wurde, sah man mittags im Grünen ganz nackt, völlig unbeachtet und gleichmütig spielen.
Das Sommerhaus auf dem künstlichen Inselchen hob sich ab gegen die schimmernde Lagune und erglänzte in der Sonne, die auf dem Wellblech lag. Den ganzen Tag war es umgeben von heiteren Männern und Frauen, drinnen dichtgefüllt mit Insulanern jeden Alters und jeder Größe, in allen Stadien der Nacktheit und Eleganz. Wir saßen so dichtgedrängt, daß ich einmal eine wunderbar schöne Frau auf meinen Knien trug, während zwei nackte kleine Straßenjungen ihre Füße gegen meinen Rücken stemmten. War irgendwo eine Dame im feierlichen Gewand des Holoku, in Hut und Blumen, so konnte die nächste Nachbarin im nächsten Augenblick irgendeinen kleinen Tuchfetzen von ihren fetten Schultern streifen und wie ein Denkmalvon Fleisch dastehen, eher bestrichelt als bedeckt von dem haarbreiten Ridi. Kleine Damen, die sich zu groß dünkten, unbekleidet auf einem so hohen Fest zu erscheinen, sah man draußen im hellen Sonnenschein stillstehen, ihre zierlichen Ridis in der Hand: einen Augenblick später waren sie voll bekleidet und betraten den Konzertsaal.
Die beiden Sängergruppen auf den beiden Seiten standen auf, um zu singen, und setzten sich, um auszuruhen: Kuma und Klein-Makin im Norden, Butaritari und die anliegenden Dörfer im Süden, beide Gruppen in barbarischer Pracht. In der Mitte zwischen diesen gegnerischen Lagern der Troubadoure war eine Bank aufgestellt, und hier thronten der König und die Königin zwei oder drei Fuß über der horchenden Menge auf dem Boden – Tebureimoa wie gewöhnlich in seinem gestreiften Pyjama mit einer Tasche über einer Schulter, die nach Inselsitte ohne Zweifel seine Pistolen enthielt; die Königin in einem purpurnen Holoku, das weiße Haar herunterhängend, einen Fächer in der Hand. Die Bank war so gestellt, daß den Fremden die Frontseite zugekehrt war, eine wohlberechnete Höflichkeitsbezeugung. Wenn nun die Reihe an Butaritari war zu singen, so mußte das Paar sich auf der Bank umdrehen, die Ellbogen auf die Lehne stützen und uns den Anblick ihrer breiten Rücken zeigen. Das königliche Paar erquickte sich manchmal an einer Tonpfeife, und das stattliche Gepränge wurde außerdem noch erhöht durch die Gewehre einer Wachabteilung.
In dieser königlichen Umgebung hörten wir, während wir selbst am Boden hockten, verschiedene Lieder von der einen oder anderen Partei; dann zogen sich derkönigliche Hofstaat und die Wachen zurück, und Königin Viktorias Sohn und Schwiegertochter wurden durch Zuruf aufgefordert, den freien Thron einzunehmen. Unser Stolz wurde vielleicht ein wenig gedämpft, als sich uns auf unseren erhabenen Plätzen ein gewisser verschwenderischer Taugenichts von einem Weißen zugesellte, und doch war ich froh darüber, denn der Mann hatte eine oberflächliche Kenntnis der Eingeborenensprache und konnte mir eine gewisse Vorstellung vom Inhalt der Lieder geben. Das eine war patriotisch und forderte Tembinok' von Apemama, den Schrecken der Inselgruppe, zu einem Überfall heraus. Ein anderes Lied sang vom Tarosäen und Erntefest. Manche hatten historische Themen und feierten Könige und berühmte Ereignisse ihrer Zeit, zum Beispiel ein Trinkgelage oder einen Krieg. Eines zum mindesten war eine Art Familiendrama und wurde von der Makintruppe ausgezeichnet gespielt. Es erzählte die Geschichte eines Mannes, der sein Weib verloren hat, zunächst ihren Verlust beklagt und dann eine andere sucht; die ersteren Strophen werden ausnahmslos von Männern gespielt, aber gegen Schluß erscheint eine Frau, die ihren Gatten verloren hat, und es schien so, als ob das Paar sich miteinander tröste, denn der Schluß schien von glücklicherer Vorbedeutung. Von einigen Liedern sagte mir mein Nachbar kurz, sie handelten wahrscheinlich von Frauen, aber das hatte ich auch selbst erraten. Jede Gruppe wurde, wie ich erwähnen will, durch eine oder zwei Frauen verstärkt. Sie waren alle Solisten, wirkten nicht sehr oft mit, sondern standen untätig im Hintergrund der Bühne und sahen mit Ridi, Halsband und aufgestecktem Haar tatsächlich aus wie europäischeBallettänzerinnen. Wenn die Lieder irgendwie dreister wurden, traten diese Damen besonders in den Vordergrund,
Weitere Kostenlose Bücher