In der Südsee
Kind sorgfältiger schampuniert, d. h. gewaschen und mit Öl eingerieben wird, ist wahrscheinlich stichhaltig. In Neukaledonien wenigstens, wo der Unterschied nicht existiert oder nie beobachtet wurde,scheint auch die Sitte des Schampunierens unbekannt zu sein. Ärzte würden gut tun, diesem Punkt ihr Studium zuzuwenden.
Vaekehu lebt, von der Regentschaft aus gesehen, am andern Ende der Stadt, jenseits der Missionsgebäude. Ihr Haus ist nach europäischer Art gebaut, ein Tisch steht in der Mitte des Hauptraumes, Photographien und religiöse Bilder hängen an den Wänden. Nach beiden Seiten hat man eine entzückende Aussicht. Vorn blickt man auf grünen Rasen, herumrennende Schweine, fächerartig herabhängende Zweige der Kokospalmen und den Glanz der tosenden Brandung; nach hinten heraus auf anstrebende Waldtäler und Kränze von Schluchten. Hier, in scharfer Zugluft, empfing uns Ihre Majestät im einfachen bedruckten Kattunkleid, ohne ein anderes königliches Abzeichen als die vollendete Schönheit ihrer Tätowierung, die wie Handschuhe wirkt, die Feinheit ihrer Bewegungen und das sanfte Falsett, in dem alle sorgfältig erzogenen marquesanischen Damen – und Vaekehu an erster Stelle – wohlgefällig ihre Worte singen. Eine Adoptivtochter verdolmetschte unsere Reden und fragte nach allen unseren Freunden in Anaho mit ihrem Namen. Während wir uns unterhielten, konnten wir durch die Tür auf der Landseite eine andere Dame ihre Toilette unter den grünenden Bäumen vollenden sehen, die bald darauf, als ihr Haar aufgesteckt und ihr Hut mit Blumen geschmückt war, mit graziösen Verbeugungen auf der hinteren Veranda erschien.
Vaekehu ist sehr schwerhörig: » merci « ist ihr einziges französisches Wort, und ich erinnere mich nicht, daß sie mir klug vorkam. Ihre ausgezeichnete Liebenswürdigkeit und Erziehung, leicht überschattet von Quietismus,der wohl von den Nonnen stammte, machte den größten Eindruck auf uns. Oder wir empfanden vielmehr diese erste Begegnung als eine Art Informationsbesuch von unserer Seite, der mit bescheidener christlicher Höflichkeit von unserer Gastgeberin angenommen wurde. Ein anderer Eindruck entstand, als sie sich freier fühlte und mit Stanislao und seiner kleinen Tochter an Bord der »Casco« kam. Sie hatte bei dieser Gelegenheit große Toilette gemacht, trug ein weißes Gewand, das zu ihrem strengen braunen Gesicht gut paßte, und saß essend und zigarettenrauchend zwischen uns, von aller Unterhaltung abgeschnitten oder nur hier und da durch die Vermittlung ihres Sohnes ins Gespräch gezogen. Diese Situation hätte lächerlich sein können, aber ihr gereichte sie zur Zierde. Sie tat, als ob sie alles höre und verstände, auf ihrem Gesicht strahlte das Lächeln der guten Gesellschaft, wenn man ihrem Blick begegnete; ihre Bemerkungen, so selten sie sein mochten, waren stets verbindlich und liebenswürdig. Dem Kinde wurde keine Beachtung geschenkt, außer wenn sie es anredete oder sich an seiner Stelle bei uns bedankte. Ihr Abschied beim Fortgehen war graziös und zierlich wie ihr ganzes Benehmen. Als meine Frau ihr die Hand reichte, um ihr Lebewohl zu sagen, nahm Vaekehu sie, hielt sie fest und lächelte einen Augenblick, ließ sie sinken, und dann, wie in Gefühlserregung und zartfühlender Herablassung, streckte sie beide Hände aus und küßte meine Frau auf beide Wangen. Bei gleichen Alters- und Rangunterschieden würde man auf der Bühne der Comédie Française so gespielt haben, genau so gütig herablassend würde Madame Brohan sich gegen Madame Broissat im Marquis von Villemer benommenhaben. Es war meine Aufgabe, unsere Gäste an Land zu bringen. Als ich das kleine Mädel beim Abschied auf den Stufen des Piers küßte, stieß Vaekehu einen Ruf des Entzückens aus, streckte ihre Hand zum Boot nieder, nahm die meine und drückte sie mit jener einschmeichelnden Sanftheit, die in allen Ländern der Erde die Koketterie alter Damen zu bilden scheint. Im nächsten Augenblick schon hatte sie Stanislaos Arm genommen, sie schritten im Mondlicht den Pier entlang und ließen mich verwirrt zurück. Dies war eine Kannibalenkönigin; sie war vom Kopf bis zu den Füßen tätowiert und vielleicht gegenwärtig das größte Meisterwerk dieser Art auf der Erde, so daß ihr Bein vor einiger Zeit, ehe sie prüde wurde, eine der Sehenswürdigkeiten von Tai-o-hae war. Sie war aus der Hand eines Häuptlings in die des andern gewandert, man hatte um sie Kriege geführt und sie geraubt; vielleicht
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