In der Südsee
Eingeborenenregierung von Samoa durch, aber die Franzosen haben sich selbst die Hände gebunden und für vierzigtausend Franken ihre farbigen Untertanen dem Verbrechen und dem Tode ausgeliefert. Dieser entsetzliche Handel ist gewissermaßen durch Zufall entstanden. Hauptmann Hart hatte das Unglück, unbewußt der Anstifter zu sein, denn als seine Pflanzungen auf den Marquesas in Blüte standen, hatte er Schwierigkeiten, die chinesischen Kulis zu halten. Heute sind die Pflanzungen fast verödet, die Chinesen sind fort, aber inzwischen haben die Eingeborenen das Laster erlernt, die Handelserlaubnis bringt eine runde Summe ein, und die geldbedürftige Regierung in Papeete schließt die Augen und öffnet die Taschen. Allerdings hat der Händler nur die Erlaubnis an Chinesen zu verkaufen, aber anderseits kann natürlich niemand vierzigtausend Franken zahlen für das Privileg, eine Handvoll zerstreut lebender Chinesen zu versorgen, und jeder kennt die Wahrheit und schämt sich ihrer. Französische Beamte schütteln den Kopf, wenn man den Namen Opium erwähnt, und die Agenten der Farmer erröten über ihre Mittlertätigkeit. Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen; als Untertan der britischen Krone bin ich unfreiwilliger Teilhaber am größten Opiumgeschäft unter dem Himmel. Aber der britische Fall liegt sehr schwierig, es handelt sich um den Lebensunterhalt von Millionen, und Reformen müssen mit Klugheit vorgenommen werden, wenn es überhaupt möglich ist, sie durchzuführen. Dies französische Geschäft aber ist eine Bagatelle und nichts alsein Auswuchs. Man wollte keine einheimische Industrie beleben, sondern das Gift wurde feierlich eingeführt. Keine Eingeborenensitte war zu berücksichtigen, sondern das Laster wurde willkürlich hierher verpflanzt. Kein Mensch hat einen Vorteil, außer der Negierung in Papeete, den wenig beneidenswerten Gentlemen, die ihr das Geld geben, und den chinesischen Schurken, die das schmutzige Geschäft betreiben.
Neuntes Kapitel
Das Haus Temoana
Die Geschichte der Marquesaner ist in den letzten Jahren durch das Kommen und Gehen der Franzosen stark verwirrt. Wenigstens zweimal haben sie von dem Archipel Besitz ergriffen, wenigstens einmal haben sie ihn verlassen, und in der Zwischenzeit haben die Eingeborenen fast ohne Unterbrechung ihre planlosen Kannibalenkriege geführt. Durch diese Ereignisse und den Wechsel der Dynastien sieht man nur eine beachtenswerte Gestalt schreiten: die des Oberhäuptlings Temoana, eines Königs. Allerlei bunte Einzelheiten seiner Entwicklung kamen mir zu Ohren: wie er zuerst Konvertit der protestantischen Mission war; wie er entführt oder aus seiner Heimat verschleppt wurde, als Koch an Bord eines Walfischfängers arbeitete und gegen ein kleines Entgelt in englischen Häfen gezeigt wurde; wie er schließlich nach den Marquesas zurückkehrte, unter den starken und segensreichen Einfluß des verstorbenen Bischofs geriet, seine Macht in der Inselgruppeausdehnte, eine Zeitlang Mitregent des Prälaten war und endlich als Hauptförderer des Katholizismus und der Franzosen starb. Seine Witwe erhält noch jetzt zwei Pfund monatlich von der französischen Regierung. Königin nennt man sie gewöhnlich, aber im amtlichen Almanach wird sie als »Madame Vaekehu, Oberhäuptlingsfrau« bezeichnet. Sein Sohn – ob natürlich oder adoptiert, weiß ich nicht – Stanislao Moanatini, Häuptling von Akaui, dient in Tai-o-hae als eine Art Minister der öffentlichen Arbeiten, und die Tochter Stanislaos ist weiblicher Oberhäuptling der südlichen Insel Tauata. Das ist also das mächtigste Geschlecht des Archipels, und wir hielten es auch für das achtbarste. Dies ist die Regel in Polynesien, mit wenigen Ausnahmen: je höher die Familie steht, desto besser sind die Menschen – besser an Vernunft, besser an Sitten und gewöhnlich auch körperlich größer und stärker. Ein Fremder geht blindlings vor, er macht seine Bekanntschaften zufällig. Abgesehen von der Tätowierung bei den Marquesas deutet nichts den Rangunterschied an, aber fast immer bewährten sich unsere Freunde als Personen von Würde. Ich sagte, »gewöhnlich auch körperlich größer und stärker«. Ich könnte noch bestimmter sein: für ganz Polynesien und einen Teil von Mikronesien trifft diese Regel zu, die Großen der Inseln und selbst der Dörfer sind auch kräftiger an Knochen und Muskeln und oft schwerer an Fleisch als die gewöhnlichen Bürger. Die landläufige Erklärung, daß das hochgeborene
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