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In der Südsee

Titel: In der Südsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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gemacht hatte und sechzig Chinesen und siebzig Eingeborene beschäftigte, fand er sich neuen Gefahren gegenüber. Die Leute von Haamau, so hieß es, hatten geschworen, die Niederlassung zu plündern und auszurotten. Es kamen fortlaufend Briefe des hawaiischen Missionars, der als Nachrichtenbureau diente, und sechs Wochen lang schlief Mr. Stewart mit drei anderen Weißen im Baumwollager zwischen Barrikaden von Ballen und – was die beste Art der Verteidigung war – übte in aller Öffentlichkeit tagsüber Gewehrschießen an der Bucht. Eingeborene waren oft anwesend, um sie zu beobachten; die Schießübungen verliefen glänzend, und der Angriff fand nie statt, wenn er überhaupt beabsichtigt war, was ich bezweifle, denn die Eingeborenen sind tüchtiger im Erfinden falscher Gerüchte als in mutvollen Taten. Man erzählte mir, der letzte Französische Krieg habe das bewiesen, die Stämme an der Bucht warfen denen der Berge böse Pläne vor, die auszuführen sie niemals Wagemut genug besessen hätten. Und ähnliche Berichte über die Feigheit der Insulaner in offener Schlacht kamen von allen Seiten. Kapitän Hart landete einst nach einem Kampf an einer bestimmten Bucht, ein Mann hatte eine Handwunde, ein altes Weib und zwei Kinder waren erschlagen worden, und der Kapitän beruhigte die Leute, indem er die Hand verband und beide Parteien verspottete wegen der Lächerlichkeit der ganzen Angelegenheit. Tatsächlich waren diese Kriege oft reine Formsache wie Duelle bis zum ersten Blutvergießen. Hart besuchte eine Bucht, wo solch ein Krieg zwischen zwei Brüdern ausgetragen wurde, deren einer angeblich gegen dieGäste des anderen unhöflich gewesen war. Ungefähr die Hälfte der Bevölkerung leistete abwechselnd auf der einen oder andern Seite Kriegsdienste, um mit beiden gut Freund zu sein, wenn der unvermeidbare Friede käme. Die Befestigungen der Kriegführenden lagen sich dicht gegenüber. Schweine wurden gekocht, gut geölte Tapfere schritten mit gut geölten Gewehren auf den Paepaes auf und ab oder setzten sich nieder zum Festmahl. Kein noch so wichtiges Geschäft konnte erledigt werden, alle Gedanken schienen auf diesen lächerlichen Scheinkrieg gerichtet. Einige Tage darauf wurde durch einen bedauerlichen Zufall ein Mann getötet, man fühlte, daß man zu weit gegangen sei, der Streit wurde sofort beigelegt, aber ernsthafte Kriege wurden in ähnlichem Geiste geführt, ein Geschenk von Schweinen und ein Festmahl bildeten stets den Beschluß, die Tötung eines einzigen Mannes war ein großer Sieg, und die Ermordung Wehrloser wurde als Heldentat gepriesen.
    Der Fuß der Klippen ist auf allen diesen Inseln der geeignete Platz zum Fischen. Zwischen Taahauku und Atuona sahen wir Männer, aber hauptsächlich Frauen, manche beinahe nackt, andere in dünnen weißen oder scharlachroten Kleidern, auf den gischtbespritzten Vorsprüngen hocken, braune Felsen über dem Kopf und ringsumher, als wollten sich die Leute von aller Hilfe absperren. Dort angelten sie fast den ganzen Vormittag, und sobald sie einen Fisch fingen, aßen sie ihn roh und lebendig, wo sie standen. Diese hilflos Einsamen pflegten die Krieger der gegenüberliegenden Insel Tauata zu erschlagen, heimzutragen und zu verspeisen, wofür man sie mächtige Kriegshelden nannte. Von einem solchen Überfall kann ich die Beschreibung eines Augenzeugengeben. »Portugal-Joe«, Mr. Keanes Koch, ruderte einst in einem Boot von Atuona, als die Besatzung einen Fremdling in einem Kanu erspähte mit einigen Fischen und einem Stück Tabu. Die Atuonaer riefen ihm zu, er solle herankommen und einen Zug aus der Pfeife tun. Er willfahrte, weil er vermutlich keine andere Wahl hatte, aber der arme Teufel wußte, was ihn erwartete, und »schien sich auf die Pfeife nicht sehr zu freuen«, wie Joe sagte. Einige Fragen folgten: woher er käme, und was er vorhabe. Er mußte sie beantworten und mußte auch an der unwillkommenen Pfeife saugen, während sein Herz in der Brust vertrocknete. Und dann lehnte sich ein riesiger Kerl aus Joes Boot plötzlich hinüber, stieß ihm das Messer in den Hals – hinein und hinunter, wie Joe durch Zeichensprache besser klarmachte als durch Wort – und hielt ihn wie ein Huhn unter Wasser, bis der Todeskampf vorüber war. Darauf wurde das »Langschwein« an Bord gezogen, das Boot nahm Kurs auf Atuona, und die tapferen Marquesaner ruderten heim. Moipu war am Strande und jauchzte mit ihnen, als sie landeten. Der arme Joe riß damals bleichen Angesichts an

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