Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In der Südsee

Titel: In der Südsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
Vom Netzwerk:
der Mitte der Lagune gekentert. Sie richteten ihn auf und setzten das Kind an Bord, obgleich er noch voll Wasser war. Das Hauptsegel war fortgetrieben, aber das Focksegel schleppte das Schiff langsam vorwärts, und François und sein Weib schwammen hinterdrein und bedienten das Steuer mit den Händen. Die Kälte war grausam, die Müdigkeit wurde mit der Zeit entsetzlich, und Furcht umlauerte sie in diesen Jagdgründen der Haifische. Immer wieder wollte François, das Halbblut, aufgeben und versinken, aber die Frau, Vollblut einer dem Wasser verschwisterten Rasse, richtete ihnmit anspornenden Worten auf. Ich erinnere mich einer hawaiischen Frau, die mit ihrem Manne ich weiß nicht wie viele Meilen auf hoher See schwamm und schließlich mit dem Leichnam im Arm die Küste erreichte. Ungefähr um fünf Uhr nachmittags, nach neun Stunden Schwimmen, langten Franyois und sein Weib in Rotoava an, der tapfere Kampf war gewonnen, und alsbald kam die kindliche Seite ihres Eingeborenencharakters zum Durchbruch. Sie hatten gegessen und immer wieder ihre Geschichte erzählt, triefend, wie sie angekommen waren; der Körper des Weibes, dem meine Frau beim Umziehen half, war kalt wie Stein, und François saß, nachdem er ein trockenes baumwollenes Hemd und Hosen angezogen hatte, den ganzen Rest des Abends auf meinem Fußboden zwischen offenen Türen in der Zugluft. Aber François, der Sohn eines französischen Vaters, sprach selbst ausgezeichnet Französisch und scheint intelligent zu sein.
    Unser erster Gedanke war, daß der Katechet, treu seinem Evangelistenberuf, die packten kleidete von seinem Überfluß. Dann stellte es sich heraus, daß François nur über sein Eigentum verfügte. Die Kleider gehörten ihm, genau wie die Kiste und das Haus. François war tatsächlich der Hausbesitzer, und doch hatte er sich zurückgehalten auf der Veranda, während Taniera seine ungeschickte Hand an den Schlössern versuchte, und selbst jetzt, als sein wahrer Stand sich offenbarte, machte er von seinen Eigentumsrechten keinen anderen Gebrauch, als daß er die Kleider seiner Familie am Zaun trocknen ließ. Immer noch war Taniera der Freund des Hauses, immer noch fütterte er die Hühner und besuchte uns täglich, indes François sich schamhaftin der Ferne hielt während der Restzeit seines Aufenthaltes; und noch sonderbarere Dinge geschahen. Da François die gesamte Ladung seines Kutters verloren hatte, seine halbe Tonne Kopra, eine Axt, Schüsseln, Messer und Kleider, da er also gewissermaßen ganz von vorn wieder anfangen mußte und das notwendige Mehl weder gekauft noch bezahlt war, schlug ich ihm vor, ihm für seinen Bedarf einen Vorschuß auf die Miete zu geben. Zu meinem großen Erstaunen lehnte er ihn ab, und der Grund, den er angab – wenn man das einen Grund nennen kann, was die Verhältnisse nur noch mehr verdunkelte – war, daß Taniera sein Freund sei. Man beachte: sein Freund, nicht etwa sein Gläubiger. Ich erkundigte mich, und man versicherte mir, daß Taniera, der als Verbannter einer fremden Insel hier wohnte, selbst möglicherweise Schulden habe, aber bestimmt niemandes Gläubiger sei.
    Eines Morgens wurden wir in aller Frühe durch Geräusche auf dem Hofe geweckt und stellten fest, daß unsere Lagerstatt von einer großen mageren alten Dame überrascht worden war, die offenbar Witwentracht trug. Wir sahen auf den ersten Blick, daß sie eine ansehnliche Frau war, eine Hausfrau, streng praktisch, mit Energie geladen und allerlei Temperament verratend» Tatsächlich war an ihr außer der Haut nichts von einer Eingeborenen, und der Typ ist überall in unserer Heimat vorhanden und geschätzt. Wir sahen mit Vergnügen, wie sie das Gelände reinigte, die Pflanzen begoß, die Küken fütterte und alles genau prüfte, säuberte und grimmig und bestimmt mit Beschlag belegte. Als sie sich dem Hause näherte, bröckelte unsere Sympathie ab, und als sie zu der erbrochenen Kiste kam, wünschte ichmich weit fort. Wir wechselten kaum ein Wort, aber ihr ganzer hagerer Körper sprach für sich mit beredter Verdrießlichkeit. »Meine Kiste!« rief er aus, mit starker Betonung auf dem mein. »Meine Kiste – erbrochen! Das ist ja eine nette Geschichte!« Ich beeilte mich, den Tadel an die richtige Stelle zu lenken, nämlich auf François und sein Weib, aber es stellte sich heraus, daß ich die Lage verschlechtert statt verbessert hatte. Sie wiederholte die Namen zuerst ungläubig, dann verzweifelt. Eine Weile schien sie stutzig, dann räumte

Weitere Kostenlose Bücher