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In der Südsee

Titel: In der Südsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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die Vieldeutigkeit der Sprache verdunkelt werden. Geister, Vampire, Seelen und Götter werden alle untereinandergemischt. Und doch scheint mir die Auffassung richtig zu sein, daß diejenigen Geister, die wir zu den Göttern rechnen würden, mit gewissen Ausnahmen weniger boshaft sind. Dauernd umgehende Geister wohnen auf Samoa und verüben ihre Morde an einsamen Orten, aber die echten Götter von Upolu und Savaii, deren Kriege und Kricketspiele vor einiger Zeit allgemeine Aufregung verursachten, werden nach meinen Erfahrungen nicht gefürchtet, jedenfalls nicht gleich heftig. Der Geist von Anaa, der die Seele verzehrte, ist sicher ein furchtbarer Mitbewohner, aber die hohen Götter schienen selbst auf dem Archipel hilfreich zu sein. Mahinui – von dem unser Sträflingkatechet seinen Namen hatte –, der Geist der See, der wie Proteus von zahlreichen Vasallen umgeben ist, kam den Schiffbrüchigen zu Hilfe und trug sie in Gestalt eines Rochens an Land. Dieselbe Gottheit trug Priester von Insel zu Insel innerhalb des Archipels, und mit seiner Hilfe hat man in diesem Jahrhundert Menschen fliegen sehen. Die Schutzgottheit jeder einzelnen Insel ist ebenfalls gütig und kündet durch diebesondere Form einer keilartigen Wolke am Horizont die Ankunft eines Schiffes an.
    Wer die Berichte über diese Atolle liest, die so schmal, so eingeengt und so vom Meer umlauert sind, möchte glauben, daß hier allzu viele geisterhafte Bewohner leben. Und doch sind sie noch zahlreicher. In den vielen Brackwasserteichen und Tümpeln sieht man schöne Frauen mit langem, rotem Haar auftauchen und baden, nur tauchen sie für immer wieder unter beim geringsten Laut von Tritten auf den Korallen, denn sie sind scheu wie Mäuse. Man weiß, daß sie ein glückliches und harmloses Volk sind, Bewohner der Unterwelt, und dieselbe Sage lebt auf Tahiti, wo sie ebenfalls rotes Haar tragen. Tetea ist der tahitische Name, Mokurea der paumotuanische.

Dritter Teil. Die Gilbert-Inseln

Erstes Kapitel
Butaritari
    In Honolulu hatten wir der »Casco« und Kapitän Otis Lebewohl gesagt, und unsere nächste Abenteuerfahrt geschah unter veränderten Verhältnissen. Plätze für mich, meine Frau, Mr. Osbourne und meinen chinesischen Bedienten, Ah Fu, wurden belegt auf einem winzigen Handelsschoner, dem »Equator« unter Kapitän Dennis Reid, und an einem sonnigen Junitag des Jahres 1889 verließen wir, nach hawaiischer Sitte zum Abschied mit Blumengirlanden geschmückt, den Hafen und fuhren unter günstigem Wind auf Mikronesien zu.
    Das ganze Gebiet der Südsee ist eine Schiffswüste, besonders der Teil, den wir jetzt durchqueren sollten. Post gibt es auf diesen Inseln nicht, jede Verbindung ist eine zufällige, man kann zwar Pläne machen, irgendwohin zu reisen, aber es ist sehr die Frage, ob man wirklich hingelangt. Ich hatte zum Beispiel die Hoffnung, die Karolinen zu erreichen und über Manila und die chinesischen Häfen wieder zurückzukehren, es war uns aber bestimmt, in Samoa wieder aufzutauchen und von neuem durch den Anblick der Berge erfrischt zuwerden. Seit der Abendglanz auf den Höhen von Oahu verblaßte, waren sechs Monate verstrichen, und wir hatten nicht einen Erdenfleck gesehen, der so hoch gewesen wäre wie ein Bauernhaus. Unsere Straße war die flache See gewesen, unsere Wohnung niedrige Korallen, unsere Nahrung Pökelfleisch und Konserven; ich hatte gelernt, Haifischfleisch als Abwechslung willkommen zu heißen; ein Berg, eine Zwiebel, eine frische Kartoffel oder ein Beefsteak waren längst unserem Gesichtskreise entschwunden, und wir sehnten uns nach ihnen.
    Unsere beiden Aufenthaltsplätze, Butaritari und Apemama, liegen nahe am Äquator, Apemama ungefähr dreißig Meilen entfernt. Beide haben ein herrliches Ozeanklima, Tage blendender Sonne und erfrischenden Windes, Nächte voll himmlischer Klarheit. Beide sind etwas größer als Fakarava und messen in der größten Breite vielleicht eine Viertelmeile von Strand zu Strand. Auf beiden wächst eine derbe Art des Taro, ihre Kultur ist die Hauptbeschäftigung der Eingeborenen, und die dazu notwendigen Hügel und Gräben ergeben eine zierlich bewegte Landschaft und erfreuen das Auge. Im übrigen bieten sie ganz das gewöhnliche Aussehen eines Atolls: den niedrigen Horizont, die weit ausgedehnte Lagune, die riedgrasartige Linie der Palmwipfel, die Eintönigkeit und Schmalheit des Landes, die überragende Größe und das Übergewicht der See und des Himmels. Das Leben auf solchen Inseln ist in

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