In der Südsee
Frauen verheiratet und hatte keine Kinder. Er ging nach Savaii, heiratete dort eine dritte und war nun glücklicher. Als seine Frau ihre Zeit herankommen sah, erinnerte er sich, daß er auf einer fremden Insel lebe wie ein armer Mann, und wenn sein Kind geboren würde, müsse er sich der fehlenden Geschenke schämen. Vergebens versuchte seine Frau, ihm abzuraten, er kehrte zu seinem Vater in Manu'a zurück, um Hilfe zu erlangen, machte sich in der Nacht mit dem, was er erhalten hatte, wieder auf den Weg und schiffte sich ein. Nun erfuhren seine Weiber seine Ankunft und gerieten in Zorn darüber, daß er sie nicht besucht hatte, überfielenihn am Strande bei seinem Kanu und erschlugen ihn. Die dritte Frau lag inzwischen schlafend auf Savaii. Ihr Kind war geboren und schlief an ihrer Seite, und sie wurde von dem Geist ihres Mannes geweckt. »Steh auf,« sagte er, »mein Vater liegt krank auf Manu'a, und wir müssen ihn besuchen.« – »Es ist gut,« sagte sie, »nimm das Kind, während ich seine Matte trage.« – »Ich kann das Kind nicht tragen,« sagte der Geist, »ich bin zu kalt von der See.« Als sie an Bord des Kanus waren, spürte die Frau Verwesungsgeruch. »Wie kommt das?« sagte sie. »Was hast du im Kanu, daß ich Verwesungsgeruch wahrnehme?«– »Es ist nichts im Kanu,« sagte der Geist, »es ist der Landwind, der von den Bergen weht, wo ein totes Tier liegt.« Es scheint, daß sie noch während der Nacht Manu'a erreichten – die schnellste Überfahrt seit Menschengedenken –, und als sie in das Riff hineinfuhren, brannten im Dorf die Totenfeuer. Wieder bat sie ihn, das Kind zu tragen, aber jetzt brauchte er sich nicht mehr zu verstellen. »Ich kann das Kind nicht tragen,« sagte er, »denn ich bin tot, und die Feuer, die du siehst, brennen zu meinem Begräbnis.«
Neugierige mögen aus Dr. Sierichs Buch den unerwarteten Schluß der Erzählung erfahren. Das Mitgeteilte genügt für meine Zwecke. Obgleich der Mann erst eben gestorben war, war der Geist bereits verwest, als ob Verwesung das Kennzeichen und Wesen eines Geistes sei. Die Wachen auf den Gräbern der Paumotuaner dehnen sich nicht über zwei Wochen aus, und man erzählte mir, daß man glaube, dieser Zeitpunkt falle zusammen mit der Auflösung des Körpers. Wenn nun der Geist immer gekennzeichnet wird durch denZerfall, die Gefahren aber offenbar mit dem Prozeß der Auflösung enden, so liegt hier eine kniffliche Frage für den Theoretiker vor. Aber noch nicht genug, die Dame mit den Blumen war schon lange tot, und man glaubte trotzdem, daß der Geist Verwesungsanzeichen trage. Der Resident war vor mehr als vierzehn Tagen beerdigt worden, und sein Vampirgeist sollte immer noch umgehen.
Es wäre langwierig, vom traurigen Zustande der Toten zu erzählen, von den schaurigen mangaianischen Legenden, in denen Höllengötter die Seelen aller Toten verzaubern und vernichten, bis zu den mannigfaltigen Vorhöllen unter der See und in der Luft, wo die Toten Feste feiern, sich müßig umhertreiben oder die Beschäftigungen ihres irdischen Daseins wieder aufnehmen. Eine Geschichte will ich erzählen, denn sie ist einzigartig, wohlbekannt auf Tahiti und besitzt die besondere Eigentümlichkeit, daß sie aus der nachchristlichen Zeit stammt, denn sie datiert tatsächlich erst einige Jahre zurück. Eine Prinzessin des Herrscherhauses starb, sie wurde zur benachbarten Insel Raiatea hinübergebracht, verfiel dort der Herrschaft eines Geistes, der sie verurteilte, den ganzen Tag Kokospalmen zu besteigen und ihm Nüsse zu bringen, wurde einige Zeit später von einem zweiten Geist aus ihrem eigenen Geschlecht in dieser traurigen Knechtschaft gefunden und auf Grund ihrer Klagen wieder nach Tahiti gebracht, wo sie ihren Körper noch bewacht, aber schon von der herannahenden Zersetzung aufgedunsen vorfand. Es ist eine besondere Eigenart der Erzählung, daß die Prinzessin angesichts dieses entehrten Gefäßes bat, man möge sie auch weiterhin zu den Toten rechnen. Aber esscheint schon zu spät gewesen zu sein, ihr Geist wurde durch die würdeloseste Pforte zurückgeführt, und die entsetzte Familie sah, wie der Körper sich bewegte. Die Arbeiten, die offenbar Fegefeuercharakter tragen, der hilfreiche Geist aus der Verwandtschaft und das Entsetzen der Prinzessin beim Anblick ihres entstellten Körpers sind Nuancen, die man beachten muß.
Tatsache ist, daß die Erzählungen nicht notwendigerweise in sich geschlossen sind, und daß sie außerdem für den Fremden durch
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