In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
selbst bei den vergoldeten Buddhas. Haut, die echte und lebendige, sticht jede Mühe, sie darzustellen, aus.
Welcher Künstler käme am ehesten in Frage, um Peter in diesem Moment wiederzugeben? Es müsste Francis Bacon sein, nicht wahr? Einer dieser rosigen, fleischigen Akte von einem Mann mittleren Alters in gequälter Pose. Und er hatte sich selbst in Bronze vorgestellt. So eitel war er gewesen.
Schlagen auf einen Zuber, um einen Bären zum Tanzen zu bringen, wenn wir die Sterne zu Mitleid rühren würden.
Es ist immerhin etwas – es ist nicht nichts -, einen Zuber zu haben, zu dem man tanzen kann. Nicht, wenn du der Bär bist.
Als Peter heimkommt, findet er Rebecca im Bett vor. Es ist erst kurz nach halb zehn.
Sie ist eingerollt, in einen Quilt gewickelt und blickt die Wand an. Peter denkt kurz an eine Inderin, die für den Scheiterhaufen hergerichtet ist.
Sie weiß es. Missy hat ihr alles erzählt. Peter verliert kurz das Gleichgewicht, als wäre der Boden unter ihm weggekippt. Wird er es leugnen? Das wäre einigermaßen einfach. Missy ist ein unverbesserlicher Lügner. Er könnte seine Unschuld so glaubhaft beteuern. Aber wenn er lügt, wird er immer gelogen haben, Missy wird trotz all seiner Verfehlungen immer fälschlich beschuldigt worden sein. Peter wehrt sich gegen den Impuls, einfach kehrtzumachen und zu gehen, die Wohnung zu verlassen, zu fliehen … wohin genau? Was gibt es da draußen für ihn?
Er betritt das Zimmer. Hier sind die Lampen, die sie vor Jahren auf dem Flohmarkt in Paris gekauft haben. Hier, über dem Bett, hängen die drei Terry-Winters-Zeichnungen.
»Hey«, bringt Peter zustande. »Geht’s dir nicht gut?«
»Ich bin bloß müde. Missy ist heute abgereist.«
»Aha?«
Ist es zu furchtbar durchsichtig, sich so dumm zu stellen? Kann Rebecca die Falschheit riechen, die ihn umwabert?
Sie dreht sich nicht zu ihm um.
»Nach San Francisco«, sagt sie. »Jemand gibt ihm da drüben anscheinend einen Job.«
Peter bemüht sich darum, so zu klingen und sich zu benehmen wie er selbst, doch es fällt ihm schwer, sich zu erinnern, wie er klingt, wie er sich benimmt.
»Was für einen Job?«
»Computergraphik. Frag mich nicht, was das genau ist. Inwiefern es tatsächlich ein Job sein könnte.«
»Warum, glaubst du, will er das plötzlich machen?«, fragt Peter und spürt, wie ihm ein Kribbeln über den Rücken läuft. Bring mich jetzt um, Rebecca. Lass das Beil fallen. Wir wissen beide, warum er plötzlich nach San Francisco gegangen ist. Ich stehe vor dir, ein richtiger Scheißkerl. Schrei mich an. Wirf mich raus. Es könnte eine Erlösung sein, für uns beide.
Rebecca sagt: »Ich habe gedacht, diesmal wollte er sich ändern.Wirklich wahr.«
»Vielleicht wird es Zeit, sich damit abzufinden, dass er das möglicherweise nie tun wird«, sagt Peter zaghaft.
»Vielleicht.«
In ihrem Tonfall liegt so viel Kummer. Peter geht zu ihr und setzt sich auf die Kante der Matratze. Sachte, ganz sachte legt er eine Hand auf ihre zugedeckte Schulter.
Wäre es mannhafter zu gestehen? Natürlich. So viel Würde könnte er zumindest zeigen.
Er sagt: »Missy provoziert die Menschen. Die Menschen reagieren auf ihn.«
Eine schwache Einleitung. Aber etwas. Mach weiter.
Sie sagt: »Mehr als ihm guttut.«
Fertig? Los.
»Was hat er dir heute Nachmittag gesagt?«
Peter weiß nicht, ob er lügen wird oder nicht. So weit kann er nicht in die Zukunft sehen. Er kann nur ohnmächtig abwarten und schauen, was passiert.
»Er hat mir etwas gesagt«, sagt sie.
Oh. Jetzt kommt’s. Lebwohl, Leben. Lebt wohl, ihr Lampen und Zeichnungen.
Peter bemüht sich um einen ruhigen Tonfall.
»Ich glaube, ich weiß es. Weiß ich es?«
Die Wahrheit also. Er wird die Wahrheit sagen. Wenigstens das bleibt ihm.
Sie sagt: »Er hat mir gesagt, dass er mich liebt, aber dass er sich eine Weile von mir fernhalten muss. Anscheinend hemme ich ihn in seiner Entwicklung, weil ich so in ihn vernarrt bin.«
Wirklich? Moment mal.Wirklich und wahrhaftig? Das ist alles ?
»Tja, vielleicht hat er recht«, sagt Peter. Kann es sein, dass sie das Schwanken in seiner Stimme hört?
»Die Sache ist die …«
Peter zögert. Er spürt das leichte Knistern am Fenster mehr, als dass er es hört, ein ganz leises Klopfen. Schnee. Ein vom Wind getriebener Schleier Schneeflocken, wie der Wetteransager angekündigt hat.
Rebecca sagt: »Er findet mich wunderbar und bla, bla, bla, aber er muss auf eigenen Füßen stehen.«
Ach.
Dann hat Missy
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