Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In die Nacht hinein: Roman (German Edition)

In die Nacht hinein: Roman (German Edition)

Titel: In die Nacht hinein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cunningham
Vom Netzwerk:
ist ja wie im neunzehnten Jahrhundert«, sagt sie.
    »Ich habe herausgefunden, dass er wieder Drogen nimmt, und er hat mich verführt, damit ich es Rebecca nicht erzähle.«
    »Wow. Das ist keck.«
    Schwingt in ihrem Tonfall unterschwellige Bewunderung mit?
    Ob nun ja oder nein, Peter versteht: Er, Peter, ist eine komische Figur.Wie konnte es passieren, dass er sich, und sei es noch so kurz, etwas anderes eingebildet hat? Er ist der herumtollende Dummkopf, dem andere Streiche spielen. Er ist eine leichte Beute, nichts als Eitelkeit und Pomade.
    Schlagen auf einen Zuber, um einen Bären zum Tanzen zu bringen, wenn wir die Sterne zu Mitleid rühren würden.
    »Ich bin ein Narr«, sagt er.
    »Das bist du, ja«, antwortet sie.
    Uta kommt um den Schreibtisch herum, legt ihm einen Arm um die Schultern. Nur einen Arm, ganz leicht, aber für Uta ist das viel. Sie steht nicht auf Umarmungen.
    »Und du bist nicht der Erste, der sich der Liebe wegen zum Narren macht«, sagt sie.
    Danke, Uta. Danke, meine Freundin. Aber das reicht nicht, oder? Ich bin, so scheint es, untröstlich, so wie ich mich sehe, egal, inwieweit es zutrifft, spricht nicht mehr viel für mich – ein weiterer trauriger Bürger, der seinen kleinen Tanz aufführt.
    Es wäre vielleicht besser, wenn ich mit dir heulen und weinen könnte. Kann ich aber nicht, selbst wenn ich es wollte, selbst wenn ich der Meinung wäre, du könntest den Anblick ertragen. Ich bin innerlich ausgetrocknet. Ein Ball aus Haaren und Teer liegt in meinem Bauch.
    »Nein«, sagt er. »Bin ich nicht.« Denn wirklich, was kann er sonst sagen?
     
    Der übrige Tag vergeht irgendwie. Um Viertel nach neun hängt die Ausstellung. Tyler, Branch und Carl sind heimgegangen. Peter steht mit Uta und Victoria mitten in der Galerie.
    »Es ist gut«, sagt Uta. »Es ist eine gute Ausstellung.«
    Rundherum sind an den Wänden und auf den Böden der Galerie fünf vonVictorias Superhelden aufgereiht: der Schwarze im Mantel, eine Frau mittleren Alters, die in ihrer Handtasche nach Kleingeld für die Parkuhr sucht, eine scharfgesichtige, korpulente junge Frau, die mit einer kleinen weißen Tüte in der Hand (ihr Lunchbagel zweifellos) aus einer Bäckerei kommt, ein verlottert wirkender asiatischer Junge um die zwölf, der auf einem Skateboard dahinsaust, und ein hispanisches Mädchen, das einen Zwillingskinderwagen schiebt, in dem ihre beiden Kinder mächtig brüllen. Die Videos laufen simultan, während der Anfang von Beethovens Neunter ein ums andere Mal aus den unauffälligen schwarzen Lautsprechern dröhnt. Die anbetungswürdigen Merchandising-Artikel sind auf den Regalen: die T-Shirts, die Actionfiguren, die Lunchboxen und die Halloweenkostüme.
    »Es ist okay, oder?«, sagt Victoria.
    »Es ist mehr als okay«, erklärt ihr Peter, doch das würde er zu jedem Künstler sagen.
    Zeit, alles abzuschalten, das Licht auszumachen und heimzugehen. Morgen kommen die Kuratoren, dazu ein paar der prominenteren Kunden der Galerie. Die Story im Artforum kommt Anfang nächster Woche heraus. Gesegnet seist du,Victoria, bei deinem Aufstieg in der Kunstwelt. Wenn ich es schaffe, mir Rupert Groff zu schnappen, verlässt du mich vielleicht doch nicht.
    Versuche es ernst zu nehmen. Bemühe dich darum, so zu tun, als ob es darauf ankommt.
    Was machst du, wenn du nicht mehr der Held deiner eigenen Geschichte bist?
    Du schließt ab, machst Feierabend und gehst heim zu deiner Frau, stimmt’s? Du trinkst einen Martini, bestellst etwas zu essen. Du liest oder siehst fern.
    Du bist Brueghels winziger Ikaros, der unbemerkt in einer Ecke des riesigen Bildes ertrinkt, auf dem Männer Felder bestellen und Schafe hüten.
    Uta sagt: »Warum gehen wir nicht irgendwo was essen?«
    Hm. Kann nicht, wirklich. Nicht heute Abend. Kann nicht in einem Restaurant sitzen und reden, nicht einmal mit der lieben und zurückhaltenden Victoria Hwang.
    Er sagt: »Warum geht nicht ihr zwei?« Für Victoria fügt er hinzu: »Mir war in letzter Zeit nicht ganz wohl, und ich muss morgen früh topfit sein, wenn deine ganzen tobenden Fans kommen.«
    Wie kann sie ihm das übelnehmen?
    Uta wirft ihm einen lehrerhaften Blick zu. Sollte er entschuldigt sein?
    Sie sagt: »Wir können uns einfach etwas Schnelles und Schmieriges holen, weißt du.«
    » Ich bin schnell und schmierig«, antwortet Peter. Ha ha ha. »Wirklich, wir machen am Vernissageabend ein großes, trunkenes Dinner. Ich muss jetzt heim und ins Bett.«
    »Wenn du es sagst«, antwortet Uta.
    »Dann

Weitere Kostenlose Bücher