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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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klang erschüttert, dann zuckte er mit den Schultern. »Na ja, einen Versuch war’s wert.« Er sah mich an. »Und du willst heute wirklich da hingehen?«
    »Yapp«, meinte ich und drehte mich auf dem Absatz um. »Keine Chance, mich davon abzuhalten«, rief ich ihm über die Schulter zu, »oder dich als Bodyguard aufzudrängen! Bis morgen!«
    So selbstsicher ich mich in der Schule noch gefühlt hatte, so flau war mir im Bauch, als ich am Lafayette Park aus dem Bus stieg, die Sacramento Street bis zur nächsten Ecke vorlief und in die Franklin Street abbog. Was auf Alcatraz passiert war, steckte mir noch tief in den Knochen, aber all die Fragen, die mir seither im Kopf herumschwirrten, trieben mich vorwärts, Fragen, auf die ich einfach Antworten haben musste. Und der Gedanke an Nathaniel.
    Je näher ich dem alten Haus kam, umso heftiger schlug mir das Herz bis zum Hals, und mein Magen übte sich in Pirouetten. Vor dem Tor im Zaun blieb ich stehen; ich konnte nicht mal zu den Fenstern hochschauen, so viel Angst hatte ich. Augen zu und durch, befahl ich mir, sah mich schnell nach allen Seiten um und schob das Tor auf, das dabei müde ächzte.
    Hinter dem Mäuerchen war das Gebüsch dichter, das Gras höher, als ich es in Erinnerung gehabt hatte, vielleicht war es in den letzten Wochen auch einfach tüchtig gewachsen. Mit einem tiefen Durchatmen stemmte ich die Holztür auf der Rückseite des Hauses auf und schlich mich durch den dämmrigen Korridor.
    In der Halle musste ich für einen Moment die Augen schließen, weil mich das einfallende Licht blendete. Vorsichtig blinzelte ich in die flirrenden blauen, violetten und purpurfarbenen Sprenkel, und ich merkte, wie sehr ich diesen immer anderen, immer neuen Lichterzauber vermisst hatte. Als mein Blick weiterwanderte und ich aus dem Augenwinkel eine Silhouette ausmachen konnte, schrak ich zusammen. Mein Kopf fuhr herum und meine Knie wurden weich.
    Selbst in diesen hellen, tanzenden Lichtern sah er noch aus wie ein Mensch aus Fleisch und Blut, ein groß gewachsener, starkknochiger Junge, fast schon ein Mann. Als hätte er gewusst, dass ich heute kommen würde, so stand er da, die Hände in den Hosentaschen, und eine widerspenstige Locke kringelte sich in seine Stirn.
    »Hallo«, platzte ich heraus, atemlos und viel zu laut.
    Unschlüssig trat er von einem Fuß auf den anderen, einen vorsichtigen Ausdruck im Gesicht wie ein wildes, scheues Tier, unsicher, ob ich Freund war oder Feind. Und blieb stumm.
    Ich vergrub die Hände so tief in den Hosentaschen, dass sich meine Ellenbogen durchdrückten, zog die Unterlippe zwischen die Zähne und ließ meine Augen durch den Raum schweifen, über die Wände und den Boden aus dunklem Holz. Mein Blick fing sich an meiner Lieblingsdecke, die sorgsam unter dem Fenster ausgebreitet lag, die Bücher säuberlich danebengestapelt, genauso wie ich sie zuletzt zurückgelassen hatte. Nur mit den beiden Flaschen Cola light stimmte irgendetwas nicht, wenn ich auch nicht darauf kam, was; aber vermutlich konnte man den Inhalt sowieso nicht mehr trinken, er musste inzwischen total abgestanden sein.
    »Ist alles noch da«, hörte ich Nathaniel raunen. Als ich ihn verwirrt ansah, fügte er hinzu: »Du bist doch gekommen, um deine Sachen zu holen – oder nicht?«
    »Eigentlich«, sagte ich leise und rieb mit der Außenkante meines Sneakers über den Boden, »eigentlich bin ich gekommen, um dich zu sehen.« Angestrengt starrte ich auf die Kappe des anderen Sneakers hinunter.
    »Wie geht es deinem Freund?« Vielleicht bildete ich es mir ein, aber für mich hörte es sich an, als ob seine Stimme dabei etwas wackelte.
    »Gut«, sagte ich mit einem Nicken. »Aber … aber er ist nicht mein Freund«, plapperte ich drauflos. »Also, schon – irgendwie. Glaube ich zumindest. Aber nicht so mein Freund. Nicht so wie … Ähm, also – wir sind kein Paar oder so. Da ist nichts zwischen uns. Zwischen Matt und mir, meine ich.« Zittrig holte ich wieder Luft. Meine Wangen fühlten sich heiß an und wurden noch heißer, als ich zu ihm hochschielte und zu sehen glaubte, wie Nathaniels Augen aufleuchteten.
    Ich hob den Kopf und sah ihn direkt an. »Du bist also ein Geist, ja?«, flüsterte ich heiser.
    Er nickte nur und ich musste schlucken. Hinter meiner Stirn begann es zu prickeln, etwas drückte von hinten gegen meine Augäpfel, und ich blinzelte heftig. »Woher – woher hast du gewusst, dass ich auf Alcatraz bin und dort in der Klemme stecke?«
    »Manchmal«,

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