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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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erwiderte er langsam, »manchmal kann ich fühlen, wie es dir geht. Hier.« Er zog die Rechte aus der Hosentasche und legte sie quer auf seine Magengegend. »Ob du zornig bist oder dich wohlfühlst oder Angst hast. Und wenn ich dem nachgehe, kann ich den Weg zu dir finden.«
    »Kannst du das bei allen … Lebenden?«
    »Nein. Sonst kann ich nur die reine Gegenwart von Menschen spüren, wenn sie mir nah genug sind. Ob es ein Mann ist oder eine Frau, alt oder jung, ob sie wachen oder schlafen.« So etwas wie ein Lächeln zuckte um seinen Mund. »Das andere kann ich nur bei dir.«
    Ich wand mich vor Verlegenheit. »Jetzt – jetzt gerade auch?«
    »Ich … ich bin mir nicht sicher.« Hilflosigkeit zeichnete sich in seiner Miene ab.
    Ich schluckte wieder; dann nahm ich meinen ganzen Mut zusammen, ließ den Rucksack von meiner Schulter gleiten und stellte ihn ab. In langsamen Schritten ging ich auf Nathaniel zu, und obwohl wieder diese Scheu von vorhin auf seinem Gesicht aufschien, bewegte er sich nicht von der Stelle.
    Erst im letzten Moment, als ich keinen Schritt mehr von ihm entfernt war, wich er zurück, und in mir sackte etwas zusammen.
    »Warte«, flüsterte er. »Ich … ich muss dir noch etwas sagen. Und ich fürchte, es wird dir nicht gefallen.«
    »Was?«, hauchte ich, eine plötzliche Leere in Kopf und Bauch.
    Nathaniel räusperte sich und fuhr sich durch seine Locken. »Neulich … neulich nachts … da … da habe ich es nicht mehr ausgehalten. Ohne dich. Da bin ich zu dir gekommen. In dein Zimmer.« Jetzt war ich diejenige, die einen Schritt zurück machte, und in einer entschuldigenden Geste hob Nathaniel die Hände. »Ich hab nichts gemacht, Ehrenwort! Nur … », er schob die Hände wieder in die Hosentaschen und senkte den Kopf; ich hätte schwören können, dass seine Wangen sich leicht gefärbt hatten. »Nur mich zu dir gelegt und dich im Arm gehalten. Sonst nichts. Ehrlich nicht.«
    Unwillkürlich ruckten meine Schultern wie unter einem Schaudern. »Wann war das?«
    »Ich … ich glaube, zwei Nächte, bevor du auf der Insel warst.«
    Ich starrte vor mich hin. Das musste die Nacht gewesen sein, in der ich zum ersten Mal seit langer Zeit tief und fest und traumlos geschlafen hatte. Und Nathaniel war bei mir gewesen. Hatte mich in meinem ollen blauen Satinpyjama gesehen, den mit dem ausgefransten Saum an den Shorts und dem abgescheuerten Kragen; wahrscheinlich hatte ich den Mund offen stehen gehabt und auch noch auf das Kopfkissen gesabbert.
    »Oh nee«, rutschte es mir beschämt heraus, und ich schlug die Hände vor mein glühendes Gesicht. In mir tobte es. Es war mir unendlich peinlich, dass er mich so gesehen hatte. Es tat mir unendlich leid, dass ich von seiner Nähe so gar nichts mitbekommen hatte; vor allem aber zog ein seltsames Sehnen durch mich hindurch und in meiner Brust kitzelte etwas wie ein beginnender Schluckauf. »Hab ich etwa geschnarcht?!«
    Ich hörte ihn leise lachen. »Nein, du hast nicht geschnarcht. Du hast ganz ruhig und fest geschlafen.« Er schwieg einen Herzschlag lang. »Und du hast sehr hübsch ausgesehen.«
    Ich blinzelte ihn durch meine gespreizten Finger hindurch an und sein Lächeln sprang auf mich über. Das Kitzeln in meiner Brust wurde stärker, sprudelte meine Kehle hinauf, und ich musste lachen; ein kleines, stolperndes Lachen, in das Nathaniel einstimmte.
    »Du bist mir nicht böse?« Er klang erleichtert.
    Ich schüttelte den Kopf und löste die Hände von meinem Gesicht. Ein verlegenes Schweigen breitete sich zwischen uns aus, während wir uns gegenüberstanden und uns mal ansahen, dann wieder die Augen durch den Raum schweifen ließen. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus, stellte mich dicht vor Nathaniel und schaute zu ihm auf.
    »Darf ich dich anfassen?«, wisperte ich.
    Als er zögerlich nickte, begann mein Herz im Techno-Beat gegen meine Rippen zu hämmern. Ich hob die Hand und ließ sie langsam gegen seine Schulter sinken. Noch bevor ich seine Form berührte, spürte ich ein sanftes Prickeln auf meiner Haut, das meinen ganzen Arm hinaufzog. Für eine Sekunde umschloss meine Handfläche die Wölbung seiner Schulter und sank dann ein. Ich zuckte kurz zusammen; noch immer schien es mir unmöglich, dass er so menschlich, so stark aussah und doch durchlässig war. Vorsichtig bewegte ich meine Finger und sah aus dem Augenwinkel, wie Nathaniel kurz die Augen schloss. Wie sich seine Miene entspannte, als würde er es genießen. Er war weitaus mehr als nur ein

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