In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)
Ja, genau, fünf warst du. Erinnerst du dich, als du da ein paar Tage bei Gabi warst? Wir sind nach Heidelberg gefahren, Karen und ich, weil ich dort schon immer mal hinwollte. Und weil wir dachten, nur wir zwei, in einer romantischen Umgebung … Aber wir haben uns eigentlich nur gestritten und sind dann drei Tage früher als geplant wieder zurückgekommen.« Er machte eine kleine Pause. »Ich wollte tatsächlich heiraten, aber Karen nicht. Sie wollte nicht so spießig sein wie ihre Eltern, hat sie immer gesagt.«
Ich sah ihm zu, wie er mit den Zehen im Sand herumgrub und dann unter einem Seufzen das eine Bein von sich streckte, während er den Unterarm auf dem anderen Knie ruhen ließ. »Wenn man noch sehr jung ist, sieht manches anders aus. Man ist überzeugt, wenn man nur genug liebt, schafft man alles. Auch, zusammenzubleiben, egal was kommt. Und es ist niederschmetternd, wenn man einsehen muss, dass Liebe manchmal einfach nicht reicht.« Einen weichen Zug um den Mund, sah er mich an. »Ich wünsche dir, dass du diese Erfahrung nie machen musst.«
Ich musste an Nathaniel denken und hatte plötzlich einen Kloß im Hals. Mein Blick fiel auf Teds Fuß und ich stutzte. In einer schnellen Bewegung reckte ich mein Bein vor und drückte meine Ferse dicht daneben in den Sand.
»Hey, schau mal!«, rutschte es mir heraus. »Du hast ganz genau die gleichen Füße wie ich!«
Ted betrachtete unsere Füße, die sich in ihrer Form wirklich verblüffend ähnelten: ziemlich groß und flach, mit langen, schlanken Zehen, abgesehen vom großen Zeh, der ein bisschen knubbelig geraten war. »Stimmt. Ich hab genau die gleichen Füße wie meine großartige Tochter.«
Verlegen erwiderte ich sein Lächeln, und ich hatte überhaupt nichts dagegen, als er zu mir herüberlangte und mir kurz über das Schulterblatt rieb, während wir nebeneinandersaßen und den Wellen zuschauten.
48
Es gab Momente, in denen ich dachte: Es ist ein Wunder, nichts als ein Wunder. Nicht allein, dass sie mich sehen und hören konnte. Sondern dass sie bei mir sein wollte, sooft sie konnte. Wie eine heranwogende Meereswelle war es, wenn sie sich dem Haus näherte, ein tiefes, dunkles Rauschen, das in ein helles Schäumen und Sprudeln überging, und dann konnte ich meist schon hören, wie sie durch den Korridor rannte. Bis sie gleich darauf vor mir stand, atemlos, mit strahlenden Augen und einem Lachen auf dem Gesicht, bevor ich dann die Arme um sie schlang und ihr Mund sich auf meinen legte.
Nur wer wie ich zwischen Diesseits und Jenseits gebannt war, hätte zu verstehen vermocht, wie es für mich war, neben ihr auf dieser Decke zu liegen und sie nicht nur anzusehen, sondern auch zu berühren. Berührungen, die sie erwiderte, indem ihre Hände über meine Form wanderten und dann in mich einsanken, meine Kraft verwirbelten und mal wilder, mal ruhiger strömen ließen, bis ich völlig benommen war und keinen einzigen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Und wenn sie sich so eng an mich drückte, dass sie in mich eintauchte, wenn ihre Wärme mich irgendwo tief in mir umschmeichelte, zerging ich vor Glück.
Jede Nacht wartete ich ungeduldig darauf, durch die Straßen zu ihr zu jagen, wo sie hinter dem offenen Fenster ebenso ungeduldig auf mich wartete. Auf ihrem Bett schmiegte sie sich dann an mich, und obwohl ich spürte, wie sehr sie wach bleiben wollte, um jeden Augenblick auszukosten, klang ihr Murmeln irgendwann doch schläfrig, wurden ihre Lider doch irgendwann schwer. Ich betrachtete sie gern im Schlaf, wie sich ihre Brust hob und senkte, wie manchmal ein Zucken über ihr Gesicht lief, ein Lächeln aufschien oder sie ein kurzes, drolliges Schnarchen von sich gab. Funny Girl.
In den ersten Nächten ging immer irgendwann die Tür auf und ihr Vater steckte den Kopf herein. Für einige Momente schaute er zu, wie sie tief und fest schlief. Ich mochte ihn, er sah nett und freundlich aus, und ich hatte das Gefühl, er liebte seine Tochter sehr. Aber wer hätte Amber auch nicht lieben können?
Die Nächte bei ihr waren die Zeit, in der ich fast vergessen konnte, dass wir verschiedenen Sphären angehörten. Als ob die Grenze zwischen unseren Welten in der Nacht durchlässiger war als am Tag, vielleicht weil der Schlaf näher am Tod ist als das Wachen. Bis am Morgen der Wecker neben ihrem Bett aufdringlich zu piepen anfing und ein Ruck durch Amber ging, sie Grimassen schnitt und ungehalten vor sich hin brummte. Doch wenn sie dann blinzelnd die Augen öffnete,
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