In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)
unser Fahrer war, und schaute den beiden gebannt zu.
»Die hat aber schnell aufgegeben!«, rief ich ihm über den Musikradau hinweg zu, als ich mich neben ihn stellte.
»Nicht so ganz«, gab Shane in ähnlicher Lautstärke zurück. »Sie hat mich gefragt, ob ich mitmachen und nachher noch mit ihnen mitkommen will!«
Ich tat gespielt schockiert, um mir nicht anmerken zu lassen, wie krass ich das tatsächlich fand. »Nein! – Und worauf wartest du noch?!«, setzte ich mit einem Ellenbogenstupser zwischen Shanes Rippen dazu.
»Ah«, machte Shane grinsend und rieb sich mit den Fingerknöcheln unter dem Kinn, bevor er sich zu mir herunterbeugte und mir ins Ohr sagte: »Da bin ich eher spießig. Ich widme mich lieber nur einem Mädchen zur selben Zeit – und zwar nur einem, das ich so richtig gern hab.«
Mir stieg das Blut ins Gesicht und ich vergrub die Hände in den Hosentaschen. Dass die Gazelle Shane vorhin so schamlos angeflirtet hatte, hatte mir erstaunlich wenig ausgemacht. Was mir zu denken geben sollte, und trotzdem ließ Shane mich nicht völlig kalt. Auch wenn wir uns seit jenem Nachmittag bei ihm nicht mehr auch nur ansatzweise so nahe gekommen waren, nur ab und zu zusammen in den Golden Gate Park oder an der Uferpromenade joggen gingen oder uns mit den anderen trafen, war mir die Erinnerung an seine Küsse, an seinen Körper an meinem geblieben. Wenn ich ihm manchmal beim Footballtraining oder bei einem Spiel der Eagles in dem kleinen Stadion der Jefferson High zusah, konnte ich nicht aufhören, ihn mit einem sehnsüchtigen Ziehen im Bauch anzustarren, wie er in den engen Hosen und durch das Gestell unter dem Trikot grotesk verbreiterten Schultern über das Feld rannte, gegnerischen Spielern geschickt auswich, sie anrempelte oder umschubste. Und wenn er nach einem gewonnenen Spiel gegen die Mannschaft einer anderen High School in der Bay Area die erwartungsvoll dreinblickenden Cheerleader wie Sharon und Felicia in ihren kurzen Faltenröcken und bauchfreien Tops links liegen ließ und direkt auf mich zukam, ich in sein verschwitztes, lachendes Gesicht mit den aufgemalten schwarzen Balken unter den Augen sah und er mich dann unter einem Jubelruf kräftig umarmte, wurden meine Knie weich. Denn vor allem mochte ich Shane wirklich sehr gern; auf eine andere Weise stand er mir ebenso nah wie Matt und beinahe so nah wie Nathaniel. Aber eben nur beinahe.
Ein Mädchen, das leicht angetrunken aus der Küche stolperte und sich suchend umblickte, riss mich aus meinen Gedanken. Es war Abby, in einem langen, glänzenden Rock und schwarz glänzender Paisleybluse, ihren schwarzen Mantel und die Tasche in der Hand. Ihre Augen waren feucht, erste Tränenspuren zogen sich durch ihr neues dezentes Make-up, und ein Schluchzer nach dem anderen ruckte durch sie hindurch. Shane und ich wechselten einen kurzen Blick, dann waren wir auch schon bei ihr.
»Hey, Abby!« Ich nahm sie beim Arm. »Was ist denn los?«
Sie sah mich nur an, dann ließ sie sich gegen mich fallen. »Ist … ist das jetzt doch was Ernstes?«, schniefte sie mir ins Ohr. »Das mit Matt und Holly?« Sie war wirklich ziemlich beschwipst.
»Keine Ahnung«, gab ich zurück, drückte sie an mich und überlegte. »Ich weiß nicht mal, ob das überhaupt irgendwas ist.« Shit. Jetzt hatte ich es erst gerafft. »Du magst ihn sehr, oder?«
»Jaaahh«, schluchzte Abby jämmerlich los und fing an meiner Schulter laut zu heulen an.
Hilfe suchend schielte ich zu Shane hoch, der mir zunickte. »Ich sag Matt und Holly nur schnell Bescheid, dass ich euch heimbringe.«
In der Sacramento Street hielt Shane neben den parkenden Autos und stellte den Motor ab. Ich war heilfroh, dass Abbys Eltern noch im Restaurant gewesen waren und nicht mitbekamen, wie ich ihrer angeschickerten, verweinten und inzwischen heftig hicksenden Tochter den Schlüssel aus der Tasche kramte, sie die Treppen hinauf und in die Wohnung bugsierte, wo ich sie auf der Stelle ins Bett verfrachtete, während Shane unten auf mich wartete.
»Ist gerade alles nicht so leicht, was?«, fragte Shane jetzt leise.
»Nein«, flüsterte ich. Die eng verschworene Gemeinschaft, die wir alle zu Beginn der Sommerferien gewesen waren, schien mit dem neuen Schuljahr auseinanderzudriften, obwohl wir weiterhin gemeinsam in der Cafeteria zu Mittag aßen und uns auch außerhalb der Schule trafen. Matt hatte nur noch Augen und Zeit für Holly, weshalb Abby nun unter Liebeskummer litt; Shane und ich eierten zwischen
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