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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Teelichter hervor. Beim ersten brauchte ich einige Anläufe, bis ich es angezündet hatte, beim zweiten immerhin schon ein, zwei weniger, und kurz darauf flackerten dann alle sieben Flammen in den Aluschälchen, in angemessenem Abstand rings um die Decke auf dem Boden verteilt.
    Mit wackeligen Knien ließ ich mich auf der Decke nieder und zog die Füße unter mich; die Schnallen der Mary-Janes drückten sich schmerzhaft in meine Füße, die Absätze bohrten sich in meinen Po, und mit unsicheren Fingern fummelte ich so lange daran herum, bis ich sie ausgezogen hatte; meine dünnen Söckchen pfefferte ich einfach gleich hinterher. Atemlos richtete ich mich wieder auf, warf mir die Haare über die Schultern und sah zum Türrahmen hin. Und zuckte zusammen, als ich Nathaniels Silhouette am Rand der Decke stehen sah, mysteriös und ein bisschen unheimlich von den Flämmchen am Boden beleuchtet. Mein Magen krampfte sich zusammen bei der Vorstellung, dass ich seine Schritte vielleicht deshalb nicht gehört hatte, weil er noch immer eine flüchtige Erscheinung war. Weil diese Nacht nichts geändert hatte und auch nichts ändern würde.
    »Du bist wunderschön«, raunte er.
    Mit glühenden Wangen senkte ich den Kopf und sah wieder auf, als er sich neben mich hinhockte. Alles was mir an Gedanken und Fragen durch den Kopf jagte, wie er sich wohl fühlte, ob ihm etwas anders vorkam, ob er schon festgestellt hatte, dass er eine wirklich greifbare Gestalt geworden war, erlosch, als er mir in die Augen schaute, und das Einzige, was ich herausbrachte, war ein dünnes und komplett albernes »Happy Halloween«.
    Nathaniel schaute mich nur an; irgendwann hob er die Hand zu meinem Gesicht, verharrte damit aber ein paar Zentimeter vor meiner Wange in der Luft und ließ sie in einer mutlosen Geste wieder sinken. Ich schluckte und zähe Traurigkeit schwappte durch mich hindurch. Dann fasste ich mir ein Herz und streckte meine Hand nach ihm aus. Langsam, langsam näherten sich meine Finger seiner Wange. Mein Herz hämmerte schmerzhaft gegen meine Rippen; ich schluckte noch einmal, dann ließ ich meine Fingerkuppen an seine Wange sinken.
    An etwas, das sich fest anfühlte wie die nicht ganz ebenmäßige Haut eines Jungen, die sich über ein Jochbein spannt. Ich schluchzte auf und legte die ganze Handfläche auf seine Wange, und mit geschlossenen Augen schmiegte er sein Gesicht hinein. Ungläubig ließ ich meine Hand weiterwandern, über seinen kantigen Kiefer und seinen Hals hinab, bis zu der Stelle, die ich so gerne angeschaut und von der ich mir immer vorgestellt hatte, wie sie sich anfühlte, seine markigen Schlüsselbeine, über die ich jetzt mit meinen Fingern fuhr.
    »Ich kann dich fühlen«, wisperte ich und zitterte unter der Empfindung in meinen Fingerspitzen. »Ich kann dich tatsächlich fühlen.«
    Als hätte Nathaniel es jetzt erst begriffen, öffnete er die Augen, und ein unsicheres, fast ein bisschen fassungsloses Lächeln huschte über sein Gesicht.
    »Ich kann dich fühlen«, wiederholte ich. Ich schnellte auf meine Knie hoch und warf die Arme um ihn, überzeugt, in der nächsten Sekunde durch ihn hindurchzufallen und hart auf dem Boden aufzuschlagen. Aber da war ein Körper, der mich hielt, ein fester, solider Körper; eine breite Brust, gegen die ich prallte, ein Knie, das sich scharf in meine Hüfte bohrte, und kräftige, starke Beine, die mir im Weg waren, während meine Finger sich in einen Rücken unter einem spinnwebzarten Hemdstoff krallten und ich mein Gesicht gegen eine Halsbeuge rieb, die nach sonnengetrocknetem Treibholz und nach Moos roch, aber kein bisschen rauchig.
    »Ich kann dich fühlen, ich kann dich fühlen, ich kann dich fühlen«, flüsterte ich unaufhörlich, als fürchtete ich, Nathaniel würde sich in dem Moment wieder verflüchtigen, in dem ich damit aufhörte, diese magischen Worte zu sagen oder auch nur zu denken. Ich keuchte auf, als er die Arme so eng um mich schlang, dass er mir wehtat, aber ich lachte dabei, weil es so unbeschreiblich schön war.
    Grob gingen wir miteinander um; unsere Finger grapschten, drückten und kniffen den Körper des anderen, wo wir ihn gerade erwischten, wir pressten uns aneinander, dass Knie und Ellenbogen gegen Rippen und Armknochen schrammten oder sich schmerzhaft in Muskeln bohrten. Wir lachten über uns selbst dabei, ein wackeliges, schluchzendes Lachen, das jeden Moment ins Weinen kippen konnte.
    Als der erste Rausch nachließ, wurden unsere Bewegungen behutsamer,

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