In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)
eine Strähne ihres perfekt gestylten Haares hinters Ohr und flatterte dabei mit ihren getuschten Wimpern so heftig, als ob sie ein Staubkorn im Auge hätte. Ich löste meine Augen von Shane Diggs und seinem Groupie und sah Matt wieder an.
»Angenommen«, flüsterte ich schließlich, »nur angenommen, ich könnte tatsächlich Geister sehen …« Das ironische Grinsen, das auf Matts Gesicht aufblitzte, bevor er sich die nächste Ladung Quesadilla in den Mund schob, überging ich einfach. »Wenn ich mich im Internet so umschaue, scheint die Beschäftigung mit dem Übersinnlichen hier in Amerika ja fast schon ein stinknormales Hobby zu sein. Warum«, ich legte die Gabel hin und stocherte stattdessen mit dem Trinkhalm in meinem Rest Cola light herum, »warum fällt es mir dann so schwer, einfach zu glauben, dass ich es tatsächlich könnte?«
Matt warf mir einen schnellen Blick zu, bevor er die Quesadilla weiter malträtierte. »Weil du eine engstirnige und unspaßige Deutsche bist?« Seine Brauen zuckten belustigt hoch, und ich zeigte ihm meine Zungenspitze, worauf er ein meckerndes Lachen von sich gab, bevor er wieder ernst wurde. »Ohne Scheiß jetzt, Amber – das ging mir früher genauso! Ich hab mich das auch lange gefragt. Inzwischen denke ich, solange das alles nur Theorie ist, solange man nur Lichtphänomene knipst, Schwingungen misst oder Geräusche aufzeichnet, ist alles unheimlich cool und aufregend.« Er machte eine kleine Pause, während er auf dem nächsten Fladenstück herumkaute. »So lange kann man auch dazu stehen – weil es einem selbst nicht wirklich passiert«, fügte er mit halb vollem Mund hinzu. »Du merkst es einfach, ob jemand sich nur einredet, Geister zu sehen oder ob er es tatsächlich kann. Wer nur einfach mit dem Verstand von der Geisterwelt überzeugt ist, der hat diese Lust am Kick in den Augen. Diesen fiebrigen Glanz. Und der prahlt auch stolz damit. Weil er ganz tief drin genau weiß, dass es nicht echt ist. Die, die wirklich Geister sehen – die haben eine ganz bestimmte Furcht im Blick. Weil sie wissen, dass sie Kontakt zu einer anderen, einer unkontrollierbaren Sphäre haben, und fürchten, dass man sie für verrückt hält.« Er sah mich über den Tisch hinweg an. »So hab ich es auch bei dir gemerkt.«
Ich wurde rot, griff wieder zu meiner Gabel und arrangierte die kalt gewordenen Penne auf meinem Teller zu einem symmetrischen Muster. »Kennst du noch mehr Leute, die … hm …«
»Yapp. Ich hab übers Netz Kontakt zu zwei Jungs in New Orleans. Übrigens die Stadt mit der höchsten Geisterdichte in den Staaten. Zumindest laut Statistik – wenn man diesen Statistiken glauben kann. Muss wohl daran liegen, dass in New Orleans früher viel Voodoo-Zauber betrieben wurde. Und ich chatte ab und zu mit einem Typen in New York, einem in Moskau und einem in Mexico City. Dort soll es übrigens geistertechnisch auch echt heftig zugehen.«
»Und hier in San Francisco? Hier müsste es doch auch Leute geben, die … na ja …?« Ich hörte selbst, wie hoffnungsvoll ich klang.
»Hmm«, Matt sog an seinem Trinkhalm und stellte den Becher zurück aufs Tablett, »bin mir nicht sicher. Geredet hab ich auf jeden Fall noch mit niemandem darüber.« Er griff sich einen der Kekse und zwinkerte mir zu. »Du siehst also – du bist etwas Besonderes.«
Ein verlegenes Lächeln zuckte um meinen Mund, und meine gerade wieder entfärbten Wangen fühlten sich schon wieder heiß an, als ich aus dem Augenwinkel drei Mädchen sah, die auf uns zusteuerten.
»Hiii«, zwitscherten Sharon und Felicia im Duett, die beide pünktlich zu Beginn des Monats Mai auf kurze Flatterröckchen, dünne Blüschen und Ballerinas umgestiegen waren, ihren jeweiligen Kaschmirpulli schmeichlerisch um die Hüften gebunden oder locker über die Schultern gelegt. Nur Danielle, die versetzt hinter den beiden stand und zur Begrüßung mit der flachen Hand wedelte, war bei einer Jeans geblieben, zu der sie eine locker fallende Tunika in Kirschrot trug.
»Hi«, entgegnete ich schuldbewusst. Ich hatte seit jenem Stadtbummel im Februar einen möglichst großen Bogen um die drei gemacht, sie immer nur aus der Entfernung gegrüßt und dann so getan, als hätte ich es megaeilig oder wäre schwer beschäftigt.
»Lang nicht mehr gesehen«, kam es prompt mit vorwurfsvollem Ton von Felicia, während sie Matt kritisch beäugte, der sich breitbeinig und mit wippenden Knien zurückgelehnt hatte, die Hände gemütlich vor der Brust seines
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