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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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klopften ein Stakkato gegen die Plastikflasche, »wann und wo hast du deinen ersten Geist gesehen?« Als ich ihn unter verkniffenen Brauen ansah, grinste er. »Okay, okay! Angenommen, du könntest Geister sehen – wann und wo hattest du Begegnungen, die unter Umständen vielleicht Geister gewesen sein könnten?«
    Ich nippte an dem heißen Tee und räusperte mich. »Das erste Mal, an das ich mich erinnere, war auf dem Friedhof. Kurz vor Silvester, an dem Tag, an dem ich hierhergeflogen bin. Eine alte Frau, die mich dort angestarrt hat. Ganz komisch hat sich das für mich angefühlt. Und dann«, ich trank noch einen Schluck, »dann ein paarmal an der Jefferson High. Immer denselben Jungen.«
    Matt richtete sich interessiert auf. »Mit eigenartig blauen Augen? Haare ungefähr«, er hielt Daumen und Zeigefinger ein winziges Stück auseinander, »so kurz?« Ich nickte und Matts Schultern ruckten unbehaglich unter der Kapuzenjacke. »Mann, der ist echt unheimlich! Wenn ich ihn von Weitem auf dem Gang sehe, drehe ich den iPod lauter und beam mich total weit weg. Ich nehme an, er ist ein früherer Schüler, der sich irgendwo dort umgebracht hat. Entweder auf dem Gang selber oder in der Jungstoilette, weil er dort immer rauskommt und wieder drin verschwindet. Ich hab mich zwar in die interne Datenbank der Schule gehackt, habe aber nirgends etwas über den Selbstmord eines Schülers gefunden. So wie er angezogen ist, dürfte das auch eine Weile her sein. Ich hab sogar im Archiv des Chronicle nachgeschaut, aber da war auch nichts zu finden. Vielleicht hat man nie etwas darüber geschrieben, aus Rücksicht auf die Eltern oder so.«
    Ich starrte in meine Tasse; ich wusste nicht so recht, was ich von dem halten sollte, was Matt gerade erzählt hatte. Ich merkte nur, dass meine Hände zitterten, und ich schob sie zwischen die Sitzfläche des Stuhls und meine Oberschenkel. Und dass Matt mich anschaute, bemerkte ich ebenfalls.
    »Also, entweder dämmert’s dir langsam – oder du hast noch einen ganz besonderen Knaller auf Lager.«
    Ich saß einfach nur da und starrte vor mich hin. Und dann – dann begann ich Matt und Holly von dem Überfall zu erzählen. Von dem alten Haus in der Franklin Street.
    Und von Nathaniel.
    »… und … und seitdem war ich nicht mehr dort«, wisperte ich zum Schluss und räusperte mich verlegen. Dass ich seitdem zweimal die Woche zu einem Shrink ging, behielt ich lieber für mich.
    Eine Weile war es still in der Küche und vorsichtig schielte ich mit gesenktem Kopf über meine leere Tasse hinweg hoch. Matt gaffte mich mit offenem Mund an. Holly hatte ein Knie zu sich heraufgezogen und knibbelte an ihren Zehen herum, während sie in der anderen Hand eine fast abgerauchte Zigarette hielt.
    »Wow«, hauchte sie schließlich und drückte die Kippe im Aschenbecher aus, in dem bereits eine Handvoll andere Stummel lagen; während ich erzählt hatte, musste sie sich eine nach der anderen angezündet haben.
    »Und du hast es die ganze Zeit nicht gerafft?«, stieß Matt schließlich hervor. Ich schüttelte den Kopf. »Und du hast ihn angefasst ?!« Ich nickte; irgendwie gab er mir das Gefühl, ein kompletter Idiot zu sein.
    Matt blies die Backen auf und zerraufte sich mit einer Hand die chiliroten Haare, bevor er die Luft heftig ausstieß. »Hast du … hast du seither irgendwelche Veränderungen an dir bemerkt?« Ich runzelte die Stirn. »Ausbrüche von Hassgefühlen gegen irgendjemanden? Gewaltfantasien, Mordgelüste?« Meine Brauen rutschten hoch. »Oder dass dir dein ganzes Leben plötzlich sinnlos erscheint und du nur noch sterben möchtest?«
    Er klang schlimmer, als ich mir einen Besuch bei Dr. Katz je vorgestellt hatte. »Äh … nö. Wieso?«
    Matt und Holly sahen sich mit ernsten Mienen an, dann atmete Holly tief durch und zündete sich fahrig die nächste Zigarette an.
    »Schau, Amber«, flüsterte sie, ohne mich anzusehen. »Niemand irrt ohne Grund als Geist umher. Dass die Seelen der Toten auf der Erde bleiben, weil sie noch etwas zu erledigen haben – dass sie ihren Mörder finden müssen oder jemanden warnen wollen, wie es so oft in Büchern und Filmen dargestellt wird, ist zwar eine nette Vorstellung.« Sie rubbelte sich mit dem Zeigefinger über ihre gepiercte Nase. »Ich will nicht ausschließen, dass es das doch gibt, aber nach allem was ich mitbekommen habe, scheint es vielmehr so zu sein, dass den Seelen der Zutritt auf die andere Seite verwehrt wird, weil sie zu Lebzeiten große Schuld

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