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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Zusammenhang fehlt, um es einordnen zu können. Aber ich helfe dir dabei, diese Zusammenhänge zu erkennen, damit alles in dir seinen Platz bekommt.«
    Vorsichtig schielte ich zu ihr hin. Ich bezweifelte, dass sie irgendeine Ahnung hatte, WIE verrückt ich mich zurzeit fühlte. Und genauso bezweifelte ich, dass sie solche Zusammenhänge meinte, wie Holly und Matt sie in der Küche über dem Wahrsager-Shop in der Sutter Street herzustellen versucht hatten.
    Ein kleines Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. »Unsere Zeit ist für heute um. Wir sehen uns am Montag.«
    Wie benommen hatte ich den Weg von der Praxis in die Sacramento Street zurückgelegt; immer wieder war ich stehen geblieben und hatte mit geschlossenen Augen mein Gesicht in die Sonne gehalten. Hatte die Wärme auf meinen Unterarmen genossen, wie sie durch den dünnen Stoff meines T-Shirts drang, und dabei tief durchgeatmet.
    Müde stieg ich aus dem Aufzug und schlurfte den Korridor entlang. Vor der Wohnungstür blieb ich stehen und horchte verwirrt auf die wummernde Musik, die von nirgendwo anders herkommen konnte, schüttelte den Kopf über mich selbst und schloss auf. Dann blies mich ohrenbetäubende Rockmusik fast davon und schnell zog ich die Tür hinter mir wieder zu.
    Vorsichtig näherte ich mich durch donnernde Drums, harte Gitarrenriffs und Kurt Cobains Gebrüll dem Wohnzimmer und blieb mit großen Augen in der Tür stehen. In Jeans, Sneakers und einem verwaschenen T-Shirt stand Ted zwischen auf dem Boden ausgebreiteten LP s und CD s und bearbeitete breitbeinig und mit gebeugten Knien eine imaginäre E-Gitarre. Headbangend.
    Auf dem Couchtisch waren neben einer halb ausgeleerten Schuhschachtel irgendwelche bunt bedruckte Zettel verteilt; Teds Brille lag gefährlich schief obenauf. Und dahinter hüpfte in Socken Matt Chang auf dem Sofa auf und ab und schrammelte mit selbstvergessenen geschlossenen Augen ebenfalls auf einer Luftgitarre herum. Smells Like Teen Spirit? Aber so was von.
    »Hallo«, rief ich in den Raum hinein, und als mich keiner von beiden hörte, schrie ich. »Hey!«
    Teds Kopf fuhr hoch, und er sah mich erschrocken an, bevor er hastig zur Anlage hinüberflitzte und sie leiser drehte. »Hallo, Amber.« Schnaufend fuhr er sich durch die Haare, die ihm ins angeschwitzte, glühende Gesicht hingen, bevor er sich räusperte und mit einer verlegenen Geste auf Matt deutete. »Du … äh … du hast Besuch.«
    »Whuu-huuu«, jubelte Matt, sprang vom Sofa herunter und auf mich zu, ein Strahlen auf dem Gesicht. »Un-glaub-lich!«, rief er atemlos. »Dein Dad hat Kurt Cobain noch live gesehen! Lebendig! In Action! Hier, in San Francisco!«
    Ted machte einen langen Schritt zum Tisch hin, setzte sich seine Brille auf und wedelte mit etwas, das aussah wie eine Eintrittskarte. »Warfield Theatre, dreizehnter Juni einundneunzig.«
    Da hatten Mam und Ted sich noch nicht einmal gekannt. Wenn ich mich richtig erinnerte, hatte Mam da gerade Abi gemacht oder so.
    »Ist das nicht der Hammer?!« Matt schnappte vor Begeisterung fast über. »Waaahn-sinn!!«
    Einerseits war es mir peinlich, dass Ted in seinem Alter noch mit jemandem einen Luftgitarrenwettstreit anfing; aber ich war doch ein bisschen stolz, dass er noch so jung geblieben war und Matt ihn ganz offensichtlich cool fand.
    Trotzdem sah ich Ted mit zusammengezogenen Brauen an. »Wieso bist du denn schon zu Hause?«
    »Vorlesungsfreie Zeit«, erklärte Ted, während er gebückt die ersten Plattenhüllen zusammenräumte. »Hast du das etwa schon vergessen?«
    Ups. Mir war tatsächlich komplett entfallen, dass Ted nur zu seinen Sprechstunden an die Uni fuhr und um die Klausuren zusammenzubasteln, für die seine Studenten gerade büffelten. Oder es zumindest sollten. Konnte man mit sechzehn schon Alzheimer bekommen?
    Ich sah ihm zu, wie er die Platten und CD s wieder an ihrem Platz verstaute. Wie es wohl war, ihn als Professor zu haben? War er an der Uni eher der strenge oder der nette Typ? Mochten seine Studenten ihn, fanden sie ihn nervig oder machten sie sich womöglich heimlich über ihn lustig? Und gab es vielleicht sogar Studentinnen, die für ihn schwärmten, so wie Julia, Sandra und ich damals, in der Achten, für unseren tollen Referendar in Bio? Komischer Gedanke.
    Matts spitzer Ellenbogen, der mich zwischen den Rippen traf, schreckte mich auf. »Zeigst du mir dein Zimmer?«
    »Ähmm …« Hilfe suchend sah ich Ted an. Wir hatten nie irgendwelche Regeln betreffs Besuchen im Allgemeinen und

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