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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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grüblerisch zerfurcht und sie kaute auf ihrer Unterlippe herum, ein tosendes Chaos an widerstreitenden Gefühlen in sich. Während ich einfach nur glücklich war.
    Bis sie den Kopf hob und zu mir hinaufschaute. Bis die blaue Stichflamme der Angst in ihr aufschoss und sie davonrannte und ich mich auf den Boden sinken ließ, den Kopf in den Händen vergraben.
    Ich sprach mir Mut zu, schloss die Augen und ließ mich durch Holz und Stein gleiten. Die Nachtluft legte sich kühl um mich, und das Laub der Bäume und Sträucher strahlte etwas ab, das über mich hinwegkribbelte. Wie nackt fühlte ich mich, ohne die schützende Hülle des Hauses. Ich legte den Kopf zurück und sah zum Himmel hinauf, an dem Wolkenfetzen über die blassen Sterne zogen. Es war lange her, dass ich ihn ohne das Glas einer Fensterscheibe davor gesehen hatte.
    Ich überquerte das Gras und tauchte durch die Eisenstreben des Zauns hindurch. Über mir zischte etwas und ich fuhr zusammen. Zwei Wirbel, schillernd wie Perlmutt und so durchscheinend, dass sie selbst für einen wie mich kaum zu sehen waren, tanzten über mir. Ich duckte mich. Verlorene Seelen waren es, von der Sorte, die mir immer unheimlich gewesen war. Formlose Nebel, von denen eine hässlich flammende Lust an der Vernichtung ausging. Ein Grund, weshalb ich das Haus ungern verließ, und ich verspürte Erleichterung, als sie davonstoben, in die Nacht hinaus.
    Einige Zeit harrte ich so aus und lauschte in mich hinein. Bis ich das feine Vibrieren tief in mir spürte. Einen Moment lang versuchte ich noch stark zu bleiben, dann gab ich nach und ließ mich durch die Straßen der Stadt vorwärtsziehen. Das Schwingen in mir wurde rasch stärker, federte mal tiefer und ruhiger, zitterte dann unvermittelt wieder schnell und hoch, beinahe schrill, und tat mir fast weh. Als ob sie litt.
    Ich war überrascht, wie kurz der Weg war, in welch geringer Entfernung zu mir sie lebte. Ich musterte den beleuchteten Eingang und sah zu den Fenstern hinauf, von denen einige wenige noch erhellt waren. Und ich musste über mich selbst lächeln, als mir einfiel, wie dumm ich mich anfangs angestellt hatte. Bevor ich begriffen hatte, wie einfach ich Mauern durchdringen konnte, hatte ich immer verzweifelt nach offenen Türen oder Fenstern gesucht. Damals, als ich noch nicht einmal gelernt hatte, meine Kraft so zu bündeln, dass ich Gegenstände wie einen Türknauf bewegen konnte.
    Ich rührte mich nicht von der Stelle. Es war nicht recht, hier zu sein. Wenn sie mich hätte sehen wollen, wäre sie ins Haus gekommen und nicht davongelaufen. Ich schob die Hände in die Hosentaschen und drehte mich ein paarmal unschlüssig im Kreis. Ein Geräusch, eine Bewegung ließen mich aufblicken. Am Fenster über mir glühten zwei gelbe Augen: ein dicker weißer Kater, der auf das Fensterbrett gesprungen war und mich hasserfüllt anglotzte, dann wütend fauchte und sich dabei noch weiter aufplusterte.
    »Na, na, na, Oscar!« Eine ältere Frau in einem Morgenrock tauchte hinter dem Kater auf. »Was hast du denn?« Sie spähte durch die Scheibe nach draußen und schüttelte den Kopf. »Da ist doch nichts! Siehst du wieder Gespenster?«
    Ich grinste.
    Mit beiden Händen packte sie den grell miauenden und zischenden Kater und trug ihn weg. Er verrenkte sich den Kopf nach mir und ich zog eine Hand aus der Tasche und winkte ihm spöttisch zu.
    Nathaniel . Es war nur ein Hauchen. Unendlich viel leiser als ein Flüstern, hallte es doch laut in mir wider. Nathaniel.
    Sie dachte an mich. Sie sprach meinen Namen aus.
    Ein Lächeln zuckte um meinen Mund und ich ließ mich aufwärtstreiben, durch die Lücke zwischen den beiden Häusern hindurch. Wie eine Motte zum Licht zog es mich die Mauer entlang, hin zu dem blassen Leuchtfleck ihres Zimmers.
    Ich presste die Hände gegen die Scheibe, die auf der anderen Seite von einem zarten Stoff verhängt war, und lehnte die Stirn dagegen. Immer tiefer glitt sie in den Schlaf hinab, und als sie auf den Grund ihres Seins gesunken war, schob ich mich durch Glas und Mauerwerk hindurch. Langsam und vorsichtig, immer auf der Hut, damit ich sie nicht weckte.
    Im Schein der Lampe lag sie da, das Gesicht halb in ihr Kissen geschmiegt und ein flauschiges Gewebe in den Fäusten an sich gepresst. In fast demselben Blaugrün wie die Decke, die sie bei mir gelassen hatte; ich hatte sie nie gefragt, was ihre Lieblingsfarbe war.
    Ihre Brauen zogen sich zusammen und sie erschauerte; ihre Lider flatterten, und ich wich

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