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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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»Mam?«
    Ich tastete mit dem Fuß umher und mir wurde übel vor Angst. Nur diese Kante konnte ich spüren, darunter nichts mehr. Ein Abgrund gähnte unter mir. Ich wollte einen Schritt seitwärts machen, dorthin, wo ich hergekommen war, aber meine Beine versagten mir den Dienst. Sie zitterten wie trockene Blätter, und ich schlotterte am ganzen Körper, mit dem ich mich gegen die glitschige Wand presste.
    »Amber?«
    Ich schrak zusammen und schluchzte dann auf. »Ich bin hier, Matt. Hier unten, hinter der Treppe!«
    Es klackte und knisternd flammte das Licht wieder auf. »Dich kann man echt keine Sekunde aus den Augen lassen!« Er lachte. »Ich hab dich überall gesucht und dann zum Glück die offene Tür entdeckt. »Was machst du da unten?«
    »Ich … ich …« Ich hänge fest. Ich starrte auf die Rampe, die sich vom Fuß der Treppe steil abwärtszog. Sehr steil. Zu sehen war nur das oberste Stück, auf dem ein nasser Film glänzte, durch den breite Rinnsale liefen; der Rest verschwand in der Finsternis unter mir. Weit unter mir. Sehr weit. Dann starrte ich auf den schmalen Sims, auf dem ich stand; ich konnte mich nicht daran erinnern, hier hinaufgestiegen zu sein. In der Richtung, aus der ich gekommen war, wies er eine Lücke auf; ein ordentliches Stück Stein war dort abgebröckelt. Nicht besonders breit, gerade so viel wie ein beherzter großer Schritt, aber zu weit für meine schlackernden Knie, die ich nicht unter Kontrolle bekam.
    Ich hörte Matt die Treppe hinunterschlappen, dann tauchte sein rot leuchtender Schopf um die Ecke auf. »Hey, ich hab dich was gefragt! Hast du wenigstens was Spannendes gefun …« Abrupt blieb er stehen und sah mich entsetzt an.
    »Ich komm hier nicht mehr runter«, hauchte ich ihm entgegen.
    »Oh-okay«, stotterte er. Seine Augen huschten über mich und den Sims. »Bleib ganz ruhig, ja?« Er kam über die Rampe hinweg auf mich zu und peilte den Sims an, der einige Schritte von ihm entfernt auf Höhe seiner Hüfte anfing. »Ich komm zu dir hoch und hol dich …«
    Mit einem elektrischen Sirren flackerte das Licht und ging aus.
    »Ey, was soll der Scheiß?!« Matt schnaufte wütend auf und ich hörte ihn näher kommen »Okay, Amber, bleib ganz ruhig. Ich geh jetzt nur schnell hoch, mach dir Licht und hol dann Hilfe, ja?«
    »J-jja.« Meine Zähne schlugen heftig aufeinander. »Ist g-gut.«
    Gummisohlen quietschten; dann brüllte Matt auf; ich hörte ein Scharren, ein wildes Strampeln, darunter ein lang gezogenes Schleifen und gleich darauf einen dumpfen Aufschlag.
    »Matt?!« Meine Stimme war schrill vor Panik. »Matt?! Bist du okay?«
    Einen entsetzlich langen Augenblick war es still; dann hörte ich ein Schaben und ein Rascheln, und dann endlich, endlich Matts Stimme. »Na ja …« Er klang irgendwie hohl und als wäre er direkt unter mir. »Wie man’s nimmt. Die gute Nachricht ist, dass ich noch heil bin. Mein iPhone auch.« Tief atmete er durch. »Die schlechte ist allerdings, dass ich in einem Loch festsitze.« Ich sah einen Lichtschimmer umherwandern, hörte dann ein Schnaufen, ein Ächzen und einen dumpfen Schlag, und gleich darauf noch einen. »Die Wände sind zwar uneben, aber zu rutschig, um sich daran festzuhalten und irgendwie hochzuklettern. Und mir fehlt ein kleines Stück, um zum Rand hochzulangen.« Er seufzte. »Netz gibt’s hier übrigens auch keins.«
    Mein Atem ging laut und keuchend, doch bevor ich noch etwas sagen konnte, spürte ich einen Luftzug. Ein Windstoß flog durch den Raum; ich hörte Geräusche, die wie weit entfernte Flüsterstimmen klangen, dann schlug die Tür oben zu, und ich begriff.
    In meiner Dummheit war ich Geistern auf den Leim gegangen, die mir Mams Duft und ihre Stimme vorgaukelten; wer weiß, wie lange sie hier auf Alcatraz schon in meinen Erinnerungen herumgekramt hatten, bevor sie mich in diese Falle gelockt hatten, die nun nicht nur über mir, sondern auch über Matt zugeschnappt war. Ohne dass wir wussten, wie wir hier je wieder heil herauskommen sollten. Ob uns hier unten irgendwer finden würde, bevor wir verhungert und verdurstet waren.
    Ich versuchte noch einmal, einen winzigen Schritt zur Seite zu machen, für mich, für Matt, aber meine Knie knickten unter mir weg; mit rasendem Herzschlag konnte ich mich gerade noch so fangen und wieder gegen die Wand drücken. Hysterisch begann ich zu kichern, dann schluchzte ich nur noch in mich hinein; ich hatte noch nie solche Angst gehabt.
    Todesangst.

43
    Den ganzen Tag hatte ich

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