Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
Vom Netzwerk:
war. Nathaniel löste sich von mir und ich sprang.
    Unsanft landete ich in der Hocke, verlor das Gleichgewicht und knallte mit den Knien und Handflächen auf den harten Untergrund, rappelte mich auf und lief los, um die Rinnsale herum, in denen Matt vorhin ausgerutscht sein musste. Vor dem Loch im Boden warf ich mich auf alle viere. »Matt?«
    Ich atmete erleichtert auf, als ich nicht weit unter mir sein Gesicht und die knallroten Haare sah.
    Bäuchlings streckte ich mich aus und reckte ihm meine Arme über den Rand hinweg entgegen. Er packte meine Hände und begann, mit den Füßen die Wand zu erklimmen. Mit zusammengebissenen Zähnen bot ich keuchend alle Kraft auf, um ihn irgendwie zu halten und nicht selbst mit hinabgezogen zu werden; für einen nicht besonders großen, klapperdürren Kerl war er verdammt schwer. Ein-, zweimal glitt er mit einem Fuß ab; meine Finger fühlten sich gequetscht an, die Handgelenke kurz vor dem Brechen und die Schultern vor dem Auskugeln, aber während ich schon langsam auf das Loch zuschlitterte, hakte sich Matts Ellenbogen über dem Rand ein. Ich ließ eine seiner Hände los und grapschte ihn bei der Jacke. Sein Knie schrammte über die Kante; ich krallte meine Finger irgendwo in seine Baggypants und zerrte daran, bis er sich halb hochgestemmt, ich ihn halb hochgehievt hatte und er sich schwer atmend neben mir auf den Rücken rollen ließ.
    »Bist du okay?«, schnaufte ich und tatschte unbeholfen über seinen Oberkörper, als wollte ich fühlen, ob sein Herz noch schlug.
    »Boah, schon gut«, japste er genervt und schubste meine Hand weg. »So kaputt ist meine Pumpe nun auch wieder nicht!« Er setzte sich auf und fuhr sich durch die Haare. »Nur so ein … ein kleines, verfluchtes Stück hat gefehlt! Hätte mich diese … diese Drecks-Chemo«, seine Stimme überschlug sich fast und wurde hallend von den Mauern zurückgeworfen, »nicht zum Bonsai gestutzt, wäre ich auch allein da hochgekommen!«
    Ich sah ihn nur an, dann schlang ich impulsiv meine Arme um ihn und drückte ihn fest. Beklommen spürte ich, wie dürr er tatsächlich war, eher zäh und sehnig als einfach nur schlank, fast ein bisschen zerbrechlich. Einen Augenblick lang erwiderte er kräftig meine Umarmung, bevor er sich dann versteifte.
    »Ähmm, Amber …« Mit spitzem Zeigefinger tippte er auf meine Schulter. »Dein Geisterfreund findet das gerade wohl nicht so toll.«
    Ich hob den Kopf. Den Rücken uns zugekehrt, schwebte Nathaniel in einiger Entfernung; über die Schulter warf er uns einen Blick zu, der mir Gänsehaut machte. Fast schwarz wirkten seine Augen und seine Miene war steinern.
    Verlegen löste ich mich von Matt und genau wie er stand ich mit unsicheren Bewegungen auf.
    Mit eiligen, aber wackligen Schritten stapften wir die Treppe hinauf und wie ein Schatten folgte uns Nathaniel.
    »Meinst du, sie ist abgeschlossen?«, fragte ich Matt wenige Stufen vor der Tür. Unwillkürlich flüsterte ich; ich hatte ein flaues Gefühl im Bauch.
    »Für diesen Fall hat dein toller Superheld sicher einen Zaubertrick auf Lager«, knurrte er.
    Ich drehte mich um und warf Nathaniel einen entschuldigenden Blick zu, aber er sah mich nicht einmal an.
    Ich hielt die Luft an, als Matts Finger sich um den Türknauf legten, und stieß den Atem erleichtert aus, als sich die Messingkugel drehen ließ, Matt mit einem triumphierenden Grinsen die knarrende Tür öffnete und wir hinausschlüpfen konnten.
    Einige Augenblicke standen wir einfach nur in dem engen Vorraum herum. Als ob uns der dicke, dampfige Modergeruch wie eine Wand aus Gelee daran hinderte, weiterzugehen. Aber vielleicht lag es auch an der fast elektrischen Spannung, die sich mit jedem Herzschlag weiter zwischen Matt und Nathaniel aufbaute.
    »Also, was mich betrifft – ich hab für heute genug von Geistern«, sagte Matt schließlich und schickte ein angriffslustiges Funkeln in Nathaniels Richtung, der seinen Blick ungerührt erwiderte. Nur sein Mund, sein sonst so voller, geschwungener Mund, wirkte schmal und wie zusammengepresst. Er nickte kurz, und ohne mir auch nur einen einzigen Blick zu gönnen, wandte er sich um.
    »Warte!« Schnell wollte ich ihn beim Arm packen und schreckte auf, als meine Finger durch ihn hindurchgriffen; für eine Sekunde hatte ich wieder vergessen, dass er ein Geist war. Ein transparentes und doch dreidimensionales Bild von Nathaniels Unterarm überzog wie ein Hologramm meine Hand und umgab sie mit einem dichten, kühlen Dunst. Es fühlte

Weitere Kostenlose Bücher