In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
sondern auch, weil mit jeder Minute, die sie bei mir war, die Gefahr stieg, dass sie Bethan oben hörte, wenn sie hin und her ging. Andererseits konnte ich nicht zu offensichtlich versuchen, sie nach Hause zu schicken, sonst wäre sie vielleicht misstrauisch geworden. Sie war so. Völlig neurotisch. Jedenfalls nahm sie ungerührt Platz, was bedeutete, dass sie wenigstens eine Stunde bleiben würde, wenn nicht länger. Sie begann auf die übliche Weise zu grummeln und zu jammern. Es war ein recht kühler Abend, und ich hatte ein paar Holzscheite im Kamin angefacht. Das Feuer machte das Zimmer warm und gemütlich. Sonia saß zusammengekauert vor dem Kamin und blickte ganz und gar elend drein. Sie sagte, wie viel hübscher es doch in meinem Cottage wäre als auf der Farm. Sie hatte versucht, etwas am Haus zu machen, doch Hugh wollte kein Geld ausgeben. Ich wies sie darauf hin, dass Hugh kein Geld zum Ausgeben besaß. Sie meinte nur, es wäre schließlich nicht ihre Schuld. Deswegen könne Hugh noch lange nicht von ihr erwarten, dass sie in einem Slum lebe. Das war eine schamlose Übertreibung. Ich weiß, dass das Farmhaus heruntergekommen ist, aber ein Slum ist es noch lange nicht Trotzdem schätze ich, dass Sonia an Besseres gewöhnt war oder wenigstens etwas Schickeres. Die einfältige Frau tat mir fast ein wenig Leid, aber was sollte ich tun? Ich gab ihr einen Sherry und versuchte zu erklären, dass ich mitten in einem sehr schwierigen Kapitel und es wirklich kein guter Zeitpunkt war um mich zu besuchen.« An dieser Stelle stockte Franklin, setzte die Brille ab und blinzelte.
»Und dann passierte etwas, das mir den Atem verschlug Sonia wechselte völlig überraschend das Thema. Sie sagte, sie hätte Hugh in Wirklichkeit noch nie besonders geliebt Sie hätte eigentlich mich gewollt, aber ich wäre damals mit Bethan zusammen gewesen, und deswegen hätte sie sich mit Hugh begnügt. Jetzt, nachdem Bethan und ich getrennt wären und sie und Hugh eindeutig nicht länger zusammen unter dem gleichen Dach leben konnten – was ich davon halten würde, wenn sie bei mir einzöge? Sie schätzte meine Arbeit, und sie könnte mir sehr behilflich sein, sagte sie. Ich kann Ihnen vielleicht sagen, ich war vollkommen sprachlos. Ich saß da und starrte sie an, als wäre sie ein Wesen vom Mond. Ich wagte meinen Ohren nicht zu trauen. Ich war überzeugte als je zuvor, dass sie nicht mehr alle Tassen im Schrank haben konnte. Sie war mir schon immer labil vorgekommen. Ich fragte sie, ob sie wirklich glaube, was sie mir da erzählte. Hugh ist mein Bruder. Sie konnte doch wohl unmöglich aus seinem Bett steigen und in meins kommen. Unsinn!, lautete ihre Antwort. So etwas passiert doch andauernd! Nicht diesmal, sagte ich zu ihr, und ich machte ihr sehr deutlich klar, dass sie auf gar keinen Fall jemals bei mir einziehen würde. Sie wollte sich nicht damit abfinden. Sie argumentierte weiter, verwarf jeden meiner Einwände und kam mit einer Menge irrer Ideen. Ich würde ungestört arbeiten können, weil sie sich um alles andere kümmern würde. Mehr noch, sie hätte Erfahrung mit Publicity. Das stimmte, sie hatte früher in London für irgendeine PR-Agentur gearbeitet. Ich müsste mehr ins Rampenlicht treten, als dies der Fall sei, meinte sie. Ich müsse aus dem Schulbuchmarkt ausbrechen und mich in die Welt der Mainstream-Belletristik begeben. Sie redete weiter und weiter und benutzte jedes Klischee ihrer Geschäftswelt, das man sich nur denken kann, und dabei krempelte sie nebenbei mein ganzes Leben um. Jeder Plan war bescheuerter als der vorangegangene.« Franklin lehnte sich zurück und starrte Markby und Pearce gedankenverloren an.
»Ich habe versucht, vernünftig mit ihr zu reden. Ich habe ihr gesagt, dass es mir im Schulbuchmarkt gefällt, danke sehr, und ich wüsste aus zuverlässiger Quelle, dass historische Romane im Augenblick überhaupt nicht gut laufen. Ich wollte ihren Rat weder in Bezug auf das, was ich schreibe, noch darauf, wie ich mein Foto in die Sonntagsbeilagen bringe. Ich schlug vor, dass sie nach Hause gehen und sich mit Hugh vertragen sollte, und wir würden unsere Unterhaltung einfach vergessen. Sie war außer sich vor Entrüstung. Sie fragte mich rundheraus, ob ich sie denn nicht attraktiv fände? Ich antwortete gleichermaßen unverblümt, nein, ich fände sie nicht attraktiv, und mehr noch, ich hielte sie für selbstsüchtig, übellaunig, überkandidelt, dumm und völlig unberechenbar.« Franklin verzog das Gesicht
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