In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
für Juwelen frei war, an den Ohren, am Hals, den Handgelenken, den Fingern. Die Kinder waren gleichermaßen makellos herausgeputzt. Die Haare des Jungen waren rücksichtslos glatt gekämmt, und die Mädchen hatten sorgfältig geflochtene Zöpfe. Sie trugen saubere, gestärkte und gebügelte Kleidung.
»Wir bekommen Besuch, Tammy«, sagte Hugh in gelindem Staunen.
»Danny und seine Frau sind gekommen, zusammen mit den Kindern. Wahrscheinlich, um uns ihr Beileid auszusprechen. Du stellst besser den Wasserkocher an.« Er strich sich mit den Händen über die Haare in dem vergeblichen Bemühen, sich ein wenig zurechtzumachen, und ging dann zur Tür, um den Besuch zu empfangen. Da es ein formeller Besuch war, bat Hugh seine Gäste in das Wohnzimmer. Er fühlte sich in seinen nicht ganz sauberen Jeans und dem alten Pullover unpassend gekleidet. Selbst Danny trug, wie inzwischen zu sehen war, an nahezu jedem Finger einen goldenen Ring. Pogo schrak alarmiert aus dem Schlaf angesichts der vielen Leute, die ins Wohnzimmer drängten, und zog sich schnaufend und sichtlich widerwillig zurück. Die Smiths nahmen ringsum auf den Sesseln und dem Sofa Platz. Zilpah verschränkte die vor Gold starrenden, verhärmten Hände im Schoß und blickte sich abschätzend im Wohnzimmer der Franklins um. Danny räusperte sich umständlich. Hugh wartete geduldig, doch anstatt das Wort zu ergreifen, kramte Danny in einer Tasche seiner Anzugjacke, die sich verdächtig wölbte, und brachte eine halbe Flasche Whisky zum Vorschein. Diese stellte er mit einem zaghaften Blick zu Hugh auf den Tisch.
»Danke sehr«, sagte Hugh.
»Wir tun einen Schluck in unseren Tee.« Die jüngeren Besucher kamen ihm in den Sinn, und er wandte sich zu ihnen.
»Warum geht ihr nicht einfach in die Küche? Im Kühlschrank sind Dosen mit Cola und dergleichen mehr. Tammy kann sie euch geben.«
»Benehmt euch!«, ermahnte ihre Mutter die Kinder, als sie an ihr vorbei nach draußen gingen.
»Wir sind gekommen, um unser Beileid auszusprechen«, fuhr Zilpah fort, als ihre Nachkommen verschwunden waren.
»Es tut uns sehr, sehr Leid, Danny und mir, wegen Sonia. Sie war eine sehr nette Person. Es ist sehr schockierend, wenn man nicht einmal mehr abends zu einem Spaziergang nach draußen gehen kann, ohne dass einem etwas Schreckliches zustößt. Ich weiß nicht, wo das noch enden soll. Als ich ein Kind war, war die Welt ganz anders. Ich sage meinen Kindern ständig, dass sie aufpassen sollen. Man weiß einfach nicht mehr, wer sich dort draußen rumtreibt.« Danny räusperte sich erneut, und diesmal kamen die Worte in einem heiseren Krächzen hervor.
»Wann soll die Beerdigung stattfinden?«
»Es wird zuerst eine Untersuchung zur Feststellung der Todesursache geben, am Montag«, antwortete Hugh.
»Und dann, sobald die Polizei den Leichnam … ich meine, sobald sie uns Sonia zurückgibt, können wir sie begraben. Ich habe bereits mit dem Vikar gesprochen.«
»Ich werde ebenfalls zu dieser Untersuchung gehen«, informierte Danny seinen Gastgeber. Er klang immer noch, als hätte er zu viel Rauch von einem Lagerfeuer eingeatmet.
»Ich werde wahrscheinlich aussagen müssen, dass ich sie gefunden habe.« Eine verlegene Pause dehnte sich, bis Tammy das Zimmer betrat. Sie stolperte unter der Last eines beladenen Tabletts. Hugh beeilte sich, seiner Tochter zu Hilfe zu kommen und ihr das Tablett abzunehmen.
»Ich mache das, Tam. Geh du nur wieder zu den anderen Kindern und unterhalte dich mit ihnen.« Mit dem Eintreffen des Tees gab es einen subtilen Tausch der Rollen. Hugh stellte das Tablett auf den Wohnzimmertisch. Danny schraubte die Whiskyflasche auf; eine kleine Schmierung der Stimmbänder, zumindest seiner eigenen, konnte nicht schaden. Zilpah bemächtigte sich der Kanne und schenkte Tee für alle aus.
»Sie trägt es sehr gefasst, deine kleine Tochter«, stellte Danny fest.
»Tammy hat schreckliche Dinge erlebt«, erwiderte Hugh niedergeschlagen.
»Ich hätte ihr das ganz bestimmt nicht gewünscht. Zuerst ist ihre eigene Mutter gestorben, und jetzt auch noch Sonia.«
»Es ist nicht gut, ohne Mutter aufzuwachsen«, sagte Zilpah.
»Meine eigene Mutter ist noch immer gesund und munter, genau wie meine Großmutter. Vierundachtzig ist sie inzwischen und hat siebzehn Kinder.« Sie tranken Tee mit Whisky und gaben sich vornehm. Mrs Smith hielt ein wachsames Auge auf ihren Mann, der ein wenig Mühe hatte mit dem Sonntagsgeschirr aus feinstem Porzellan, das Tammy ausgegraben
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