In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
ihn.
»Hallo Sid! Wie geht’s? Was macht der Rücken?«
»Nicht besser. Meine Frau hat ihn mit irgendwelchem Zeugs eingerieben, das der Arzt mir verschrieben hat. Ich rieche schon fast wie eine verdammte Apotheke.«
»Franzbranntwein«, sagte der stämmige Mann in dem Pullover, der immer noch am Tresen stand.
»Das ist es, was du brauchst, wenn du es noch irgendwo kriegst. Mein alter Herr hat auf Franzbranntwein geschworen. Er hat ihn für Mensch und Vieh benutzt. Hat sogar seine Stiefel damit geputzt.« Ein schlimmer Rücken, dachte Markby. Hugh Franklins Farmarbeiter hatte einen schlimmen Rücken. Das Pub lag weniger als eine Meile von der Hazelwood Farm entfernt. Simon Franklin verkehrte hier. Sid war aller Wahrscheinlichkeit nach der kranke Farmhelfer. Markby musterte ihn neugierig, und während er dies noch tat, wurde seine Vermutung bestätigt. Der stämmige Mann im Pullover stellte sein Glas ab.
»Der junge Simon war bis eben noch hier. Du hast ihn knapp verpasst.« Der junge Simon? Die Einheimischen waren mit den beiden Franklin-Brüdern zusammen aufgewachsen. Für sie würden die Brüder die
»jungen« bleiben, solange die Erinnerung an ihre Eltern Bestand hatte. Zu seiner Verärgerung konnte Markby die Antwort Sids nicht hören.
»Ah, eine üble Geschichte ist das«, sagte der Stämmige.
»Trotzdem, ich kann nicht sagen, dass sie es nicht herausgefordert hätte.« Markby wäre beinahe aufgesprungen und hätte eine Erklärung verlangt. Bevor er es tun konnte, meldete sich jemand anderes zu Wort und erinnerte daran, dass es sich nicht schickte, schlecht über die Toten zu reden. Der Stämmige nahm den Tadel hin und wechselte zum Thema Fußball.
»Alan?« Meredith starrte ihn mit erhobenen Augenbrauen an.
»Was? Entschuldige, ich war mit den Gedanken woanders.« Er kehrte sichtlich angespannt zum ursprünglichen Thema zurück.
»Ich hatte nur überlegt, dass es uns nicht zusteht, Hugh Franklin zu kritisieren. Er hat eine Farm, die weiterlaufen muss. Er hat nur die nötigste Hilfe. Er braucht eine Frau für den Haushalt und für sein Kind.«
»Du meinst, jemanden, der ihm das Essen kocht und die Socken stopft«, entgegnete Meredith schroff.
»Ja. Bestimmt nicht die Art von Leben, die dir verlockend erscheint.« Markby wusste, dass seine Antwort scharf klang, doch er konnte es nicht ändern.
»Aber so ist das Leben auf dem Land nun einmal.«
»Ganz bestimmt hätte er eine Frau finden können, die täglich vorbeikommt und den Haushalt führt«, sagte Meredith halsstarrig, und die braune Locke fiel ihr erneut ins Gesicht.
»Irgendeine einheimische Witwe, oder was weiß ich.«
»Jetzt werd aber nicht naiv«, ermahnte Markby sie.
»Ah, Sex, sicher. Den würde er ebenfalls vermissen.« Markby legte die Arme auf den Tisch und begegnete Merediths Blick.
»Hör mal, soweit wir wissen, war Hugh Franklin einige Jahre lang glücklich mit seiner ersten Frau verheiratet. Wahrscheinlich gefiel es ihm, verheiratet zu sein. Er ist nicht der erste Mann, der nach dem Tod seiner Frau schnell wieder geheiratet hat. Andere Leute mögen die Nase rümpfen, doch es ist nur menschlich. Es ist die Gesellschaft, die Kameradschaft und meinetwegen auch der Sex.« Meredith antwortete nicht, doch die Frage stand unausgesprochen in ihren Augen.
»In meinem Fall ist es Liebe«, sagte Markby.
»Ich suche nicht nach jemandem, der mein Essen kocht und meine Socken stopft. Ich weiß, dass du nicht gerne kochst, und ich gehe jede Wette ein, dass du nicht stopfen kannst! Ich vermisse Rachel nicht. Wir waren nicht glücklich, und wir waren beide froh, als wir uns nur noch von hinten sehen mussten. Ich bin nicht Hugh Franklin. Ich bin jemand, der dich liebt und dich heiraten möchte. Es erscheint mir als logischer nächster Schritt in unserer Beziehung. Ich möchte mit dir zusammen sein. Ich möchte, dass wir zusammen sind.« Meredith senkte den Blick und schob die zerknitterten Stückchen Silberfolie auf dem Tisch umher.
»Ich hätte diese Diskussion um Hugh gar nicht erst anfangen sollen. Es tut mir Leid.« Markby sog scharf den Atem ein.
»Dieser verdammte Simon Franklin! Warum musste er uns an so einem schönen Abend im Pub mit seinen Problemen belästigen?« Einem Impuls gehorchend, streckte Meredith die Hand aus und nahm seine.
»Vergiss Simon Franklin. Vergiss Hugh. Vergiss – wenn du kannst –, dass wir scheinbar nicht zum gleichen Ergebnis über etwas kommen können, von dem ich weiß, wie viel es dir bedeutet. Lass
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