In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
Er hat ihr Bücher ausgeliehen und sie ermuntert, fleißig zu sein, was ihr Vater ganz sicher niemals getan hätte. Sie war kein einfaches Kind. Mürrisch und verschlossen. Sie hat keine zwei Worte mit mir geredet.« Ein Klicken verriet, dass die Tür des Häuschens aufgesperrt wurde, und Jane kam heraus. Ihr vorhin noch so bleiches Gesicht leuchtete nun rot vor Empörung.
»Ich konnte kaum umhin, alles mit anzuhören!«, fauchte sie,»und ich muss Ihnen auf das Entschiedenste widersprechen!« Bethan war unbeeindruckt. Sie hob lediglich eine Augenbraue und fragte:
»Dürfte ich erfahren, wer Sie sind?«
»Mein Name ist Jane Brady. Ich bin Tammys Lehrerin. Ich unterrichte sie in Geschichte. Sie ist ein sehr aufgewecktes Kind, das vor nicht allzu langer Zeit seine leibliche Mutter verloren hat. Selbstverständlich hatte sie eine Reihe von Problemen, und Mrs Sonia Franklin hätte dies erkennen müssen. Was Hugh Franklin angeht, Tammys Vater, so hat bisher niemand offiziell die Vermutung geäußert, er könnte für den Tod seiner Frau verantwortlich sein, und es gibt nicht die geringste Veranlassung zu einer derart haltlosen Verdächtigung! Er ist ein Mann mit viel Verantwortung auf den Schultern und bemüht, sein Bestes zu geben. Er mag vielleicht nicht die Gabe besitzen, aufpeitschende Reden zu schwingen«, räumte Jane ein,»doch er ist ein ehrlicher Mann. Ich halte die Anschuldigungen, die Sie ohne jede Spur von Beweis erheben, für abscheulich und haltlos. Mehr noch, das ist Rufmord, und Sie machen sich strafbar.« Wow!, dachte Meredith. Jetzt kriegt sie ihr Fett! Sie musterte die Talbot interessiert, um zu sehen, wie die Frau Janes Worte aufnahm. Die geranienroten Lippen verzogen sich zu einem zynischen Grinsen.
»Ich sehe, er hat sie mit seinem rustikalen Charme eingewickelt! Vielleicht fragen Sie sich einmal selbst, was für ein Mann das sein muss, der unbekümmert zu Bett geht, während seine Frau aufgebracht und ärgerlich im Dunkeln durch die Landschaft spaziert? Wenn er schon nicht der Mörder ist, so ist er zumindest dessen schuldig! Ich weiß, dass er eine lahme Anstrengung unternommen und Simon angerufen hat, doch das geschah nur, um sich selbst abzusichern und jemandem zu erzählen, dass Sonia verschwunden war. Simon hat ihm gesagt, dass Sonia nicht bei ihm war, und was tut Hugh als Nächstes? Zieht den Kopf ein. Das bedeutet, dass es ihm entweder völlig egal ist oder aber er weiß längst, dass sie tot ist. Als er am nächsten Morgen aufwacht und seiner Aussage zufolge feststellt, dass sie immer noch nicht wieder aufgetaucht ist, unternimmt er einen Dreck. Er wartet mit seinem Anruf bei der Polizei, bis jemand anderes ihre Leiche gefunden hat.« Bethan schlang sich die Handtasche über die Schulter.
»Sie finden das normal? Ich nicht. Es gibt eine verdammte Menge Fragen, die er beim nächsten Mal um einiges überzeugender beantworten muss, als er es diesmal getan hat.« Sie marschierte nach draußen. Jane sah Meredith an.
»Verstehst du?«, fragte sie.
»Verstehst du jetzt, wovor Tammy so viel Angst hat?«
»Komm, wir suchen uns ein Pub, wo wir essen können«, schlug Meredith vor.
»Dann kannst du mir alles erzählen.«
Sie landeten in einem Lokal, das Meredith nicht kannte, doch es gab ausreichend Parkplätze, und Jane meinte, dass das Essen
»ziemlich gut« wäre. Meredith blickte sich im Barraum um und kam zu dem Schluss, dass das Pub zwar alt war, ohne jedoch interessant zu wirken, was gar nicht so leicht war. Die niedrigen Deckenbalken waren schwarz glänzend gestrichen, die Wände mit dunkelroter Raufaser tapeziert, auf der ein Lilienmuster prangte. In einem alten Kamin flackerte ein falsches Feuer. Wenn ein Pub seine Seele verlieren konnte, dann traf das auf dieses zu.
»Es ist sehr beliebt zur Mittagszeit«, vertraute Jane ihr an, während sie sich in eine Ecke zwängten. Das war es mit Sicherheit. Die Kundschaft bestand aus einheimischen Geschäftsleuten, die ihr Essen in sich hineinschaufelten, während sie mit einem Auge ständig auf die Uhr starrten. Vereinzelt waren andere Gäste zu sehen, die es offensichtlich überhaupt nicht eilig hatten. Sie lehnten am Tresen, unterhielten sich vertraulich mit dem Personal und schienen imstande, unendlich lang über einem Pint auszuharren. Meredith bestellte sich Meeresfrüchte und Pommes frites, Jane entschied sich für Hühnerpastete, ebenfalls mit Pommes. Während die beiden Frauen auf das Eintreffen ihres Essens warteten, hoben sie
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