In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
mit gespitzten Ohren neugierig an. Pearce blinzelte überrascht und meinte für einen Augenblick, doppelt zu sehen. Sei nicht albern!, schalt er sich. Das sind Zwillinge! Für ihre Eltern waren sie wahrscheinlich nicht vollkommen identisch, doch für einen Fremden war es so gut wie unmöglich, sie zu unterscheiden. Pearce vermutete, dass sie die Töchter des Farmers waren und – falls er sich nicht täuschte – die Klassenkameradinnen von Tammy Franklin. Das bedeutete, dass sie ungefähr zwölf sein mussten, im gleichen Alter wie Franklins Tochter. Sie besaßen runde, sommersprossenübersäte Gesichter, lockige, hellblonde, kurz geschnittene Haare, Stupsnasen und eine geradezu erschreckende Selbstsicherheit. Beide trugen Jodhpurhosen und Reiterstiefel sowie T-Shirts. Selbst die Ponys ähnelten sich, die gleiche Rasse, die gleiche Größe, wenngleich eines ein Apfelschimmel war und das andere ein Rotschimmel.
»Wer sind Sie?«, fragte der Pearce am nächsten stehende der Zwillinge.
»Sind Sie wegen Ferien auf der Farm gekommen? Wir sind für den größten Teil des Sommers voll ausgebucht.« Ah, das erklärte das geschniegelte Aussehen der Farm und das offensichtlich vorhandene, reichliche Geld.
»Nein«, antwortete Pearce.
»Ich bin Polizeibeamter.« Die Fragestellerin wich ein wenig zurück angesichts dieser Antwort und starrte ihn finster an, während sie auf der Unterlippe kaute. Ihre Schwester setzte das Verhör fort.
»Sie sind nicht in Uniform!«, schnappte sie.
»Sie müssen einen Ausweis haben und ihn vorzeigen, wenn Sie auf die Farm wollen. Ansonsten wissen wir nicht, ob Sie wirklich ein Polizist sind.«
»Das stimmt«, gab Pearce zu.
»Habt ihr das in der Schule gelernt?«
»Mummy hat es uns gesagt«, erklärte das Mädchen hochmütig.
»Wir müssen vorsichtig sein hier draußen, wissen Sie? Hier kann ja jeder herkommen.« Pearce fühlte sich gründlich an seinen Platz verwiesen, als er seinen Ausweis hervorzog und den Kindern reichte. Sie musterten ihn akribisch, wechselten Blicke und schienen zu einem stillschweigenden Einverständnis zu gelangen. Der Ausweis wurde zurückgegeben.
»Ich schätze, es ist in Ordnung«, sagte der erste Zwilling widerwillig.
»Aber das Foto sieht Ihnen nicht besonders ähnlich.«
»Das tun sie doch nie, diese Fotos, oder?«, entgegnete Pearce und fügte hinzu:
»Ich trage keine Uniform, weil ich bei der Kriminalpolizei bin. CID, falls ihr wisst, was das ist?« Sie wussten es anscheinend. Sie sahen Krimis im Fernsehen, informierten sie ihn. Rasch zählten sie ihre Lieblingssendungen auf und verdammten diejenigen, die sie nicht mochten, in die tiefste Dunkelheit. Pearce vermutete, dass ihre Vorstellung von Polizeiarbeit der der meisten Leute ähnelte. Sie hielten sie für aufregender und abwechslungsreicher, als es in Wirklichkeit der Fall war. Nichtsdestotrotz waren die Zwillinge, während sie ihre Lieblingssendungen aufzählten, enger zusammengerückt, und nun standen sie Schulter an Schulter. Schließlich verstummten sie und starrten ihn auf eine Weise an, die Pearce unruhig werden ließ. Er wusste vom Hörensagen, dass eineiige Zwillinge miteinander kommunizieren konnten, ohne zu sprechen, eine Art Telepathie, die auf intuitivem Verständnis beruhte. All dieses Gerede von ihren Fernsehsendungen, dachte er, das war nur, um mich abzulenken! Die ganze Zeit über hat eine versteckte Kommunikation zwischen den beiden stattgefunden, und nicht ein Wort davon laut ausgesprochen. Unheimlich, wirklich unheimlich.
»Warum sind Sie hergekommen?«, fragte der linke der beiden Zwillinge, und zum ersten Mal schwang ein wenig Unsicherheit in ihrer Stimme mit. Pearce fühlte sich an einen Hund erinnert, der laut bellt, um einen Fremden zu vertreiben, und als der Fremde sich nicht vertreiben lässt, weiß er nicht so recht, was er als Nächstes unternehmen soll.
»Eigentlich bin ich hergekommen, um mit eurer Mum und eurem Dad zu reden«, sagte Pearce unbekümmert. Damit sie sich nicht ganz ausgeschlossen fühlten, fragte er:
»Wie heißt ihr denn?« Sie lächelten ihn mit kaum verhohlener Geringschätzung an. Sie wussten nur allzu genau, dass er sie verwechseln würde, ob er nun ihre Namen kannte oder nicht. Außerdem wusste er aus ihren früheren Worten, dass sie ihre Eltern Mummy und Daddy nannten und nicht Mum und Dad. Nicht einmal das hatte er richtig gemacht. Das linke der beiden Mädchen deutete auf seine Schwester.
»Das ist Lucy«, sagte es. Lucy deutete auf ihre
Weitere Kostenlose Bücher