In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
Franklin?«, unterbrach Pearce, der eine Chance zu einer Frage sah, als Mrs Hayward verstummte, um Luft zu holen.
»War sie eine nette Person?«
»Nichtsnutzig«, sagte Mrs Hayward in einem Tonfall, der eher bedauernd als kritisierend klang.
»Ich kann nicht sagen, dass sie Durchhaltevermögen zu besitzen schien. Sie ist in Designerklamotten auf der Farm herumgelaufen. Nein, ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie durchhalten würde, aber das bedeutet nicht, dass ich erwartet hätte – dass irgendeiner von uns erwartet hätte –, dass so etwas geschehen würde. Wenn ich Ihnen erzähle, dass ich prima mit ihr zurechtgekommen bin, würde ich die Unwahrheit sagen. Weil ich nicht mit ihr zurechtgekommen bin. Ich zweifle nicht eine Sekunde daran, dass sie den armen Hugh fast um den Verstand gebracht hat. Sie mögen denken, dass ich nicht nett über Sonia rede, aber ich sage freiheraus, was ich fühle. Sie war kein schlechter Mensch, verstehen Sie mich nicht falsch, eher das, was man einen eckigen Würfel in einem runden Loch nennt. Sie war auf ihre Weise gutherzig. Anständig erzogen. Und attraktiv, schätze ich.« Mrs Hayward rieb sich mit der Hand über ihre kurzen, drahtigen, blond gefärbten Haare. Die Farbe war eine hellere Version der Haarfarbe ihrer Zwillingstöchter und durchsetzt mit Grau.
»Sie hat sich immer anerboten zu helfen. Aber bei was, um alles in der Welt? Sie konnte nichts. Sie hatte keine Ahnung von Pferden; vielleicht hätte sie im Stall aushelfen können. Ich glaube, sie hatte Angst vor Tieren. Tiere spüren sofort, wenn man Angst vor ihnen hat. Wir haben Gänse hinter dem Haus. Sie haben die arme Sonia eines Tages über den ganzen Hof gejagt. Ich musste raus, um ihr zu helfen. Um ehrlich zu sein, ich habe sie nie ermuntert, zu uns zu kommen. Sie war sich nicht zu schade, Derry mit den Wimpern zuzuklimpern. Aber das war Zeitverschwendung, glauben Sie mir. Ich weiß überhaupt nicht, warum ich Ihnen das alles erzähle. Es interessiert Sie bestimmt nicht.« Tatsächlich täuschte sich Mrs Hayward sehr. Pearce hatte sich von Anfang an eifrig bemüht, sich ein Bild von der Toten zu machen. Er fragte sich, ob Mrs Hayward sich bewusst war, dass sie angesichts der Umstände nicht besonders taktvoll gewesen war, als sie ihm erzählt hatte, dass Sonia Franklin den armen Hugh ihrer Meinung nach fast um den Verstand gebracht haben musste. Draußen ertönte das Geräusch eines sich nähernden Wagens. Mrs Hayward spähte aus dem Fenster und verkündete:
»Ah, da kommt Derry.« Pearce meinte, Erleichterung in ihrer Stimme zu erkennen. Dann legte sie die Stirn in Falten.
»Wie es aussieht, hat er das Tier gekauft. Ich hoffe nur, er hat nicht zu viel Geld bezahlt. Ich hab ihm gesagt, dass er sie runterhandeln soll. Ein Angebot machen, und wenn es ihnen nicht gefällt, sollen sie halt ihr Glück auf der Pferdeauktion versuchen.« Pearce blickte über ihre Schulter hinweg nach draußen. Ein Geländewagen mit einem Pferdeanhänger hatte vor den Ställen angehalten. Ein Mann stieg vom Fahrersitz und ging nach hinten zum Anhänger. Die Zwillinge hatten ihre Ponys stehen gelassen und drängten sich neugierig um ihn, als er die Rampe herunterklappte. Hufgeklapper wurde laut, und ein nervöses Wiehern erklang, das eine Antwort der beiden Ponys hervorrief. Derry Hayward führte ein recht hübsches, braunes Pony mit weißen Fesseln aus dem Anhänger.
»Was sagen Sie?«, fragte Mrs Hayward und schürzte die dünnen Lippen.
»Sehr hübsch«, sagte Pearce vorsichtig.
»Hübsch ist es, so viel steht fest. Die Gäste werden es mögen. Es ist fotogen, und es ist an Kinder gewöhnt. Es wurde verkauft, weil es ausgewachsen ist«, schloss Mrs Hayward.
»Die Mädchen werden meinem Mann bereits erzählt haben, dass Sie hier sind.« Pearce hatte das Gefühl, als würde er weitergereicht, wie das braune Pony an die Kinder. Wenige Augenblicke später erschien Derry Hayward, ein großer, gut aussehender Mann mit lässigem Auftreten und dem Akzent einer Eliteschule. Er streckte Pearce die Hand entgegen.
»Was können wir für Sie tun, Inspector?«, erkundigte er sich freundlich.
»Sie untersuchen den unglückseligen Tod der armen Sonia Franklin, habe ich Recht?« Unglückselig war nicht gerade das Wort, das Pearce gewählt hätte. Er hatte Derry Hayward seit seinem Eintreten neugierig beobachtet. Der Mann besaß ein kultiviertes Auftreten, das in starkem Kontrast stand zu der offenen, einfachen Art seiner Frau. Er trug einen
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