In einem anderen Land
Catherine saß auf dem Bett und betrachtete den gläsernen Kronleuchter. Sie hatte den Hut abgenommen, und ihr Haar glänzte unter dem Licht. Sie sah sich in einem der Spiegel und führte die Hände zum Haar. Ich sah sie in drei weiteren Spiegeln. Sie sah nicht glücklich aus. Sie ließ ihr Cape aufs Bett gleiten.
«Was ist los, Liebling?»
«Ich hab mich noch nie wie eine Nutte gefühlt», sagte sie.
Ich ging zum Fenster und zog die Gardine zurück und sah hinaus. Ich hatte nicht gedacht, daß es so sein würde.
«Du bist doch keine Nutte.»
«Ich weiß, Liebling. Aber es ist unangenehm, sich so wie eine zu fühlen.» Ihre Stimme war trocken und niedergeschlagen.
«Dies war das beste Hotel, in das wir so gehen konnten», sagte ich. Ich sah aus dem Fenster. Jenseits des Platzes waren die Lichter des Bahnhofs. Auf der Straße fuhren Wagen vorbei, und ich sah die Bäume im Park. Die Lichter des Hotels glänzten auf dem nassen Pflaster. Zum Teufel, dachte ich; müssen wir uns jetzt zanken?
«Komm her, bitte», sagte Catherine. Die Niedergeschlagenheit war vollständig aus ihrer Stimme verschwunden. «Komm her, bitte. Ich bin wieder ein gutes Mädchen.» Ich sah zum Bett hinüber. Sie lächelte.
Ich ging hinüber, setzte mich neben sie aufs Bett und küßte sie.
«Du bist mein gutes Mädchen.»
«Bestimmt deins», sagte sie.
Nachdem wir gegessen hatten, fühlten wir uns großartig, und dann waren wir sehr glücklich, und nach einer kurzen Zeit war das Zimmer unser eigenes Heim. Mein Zimmer im Lazarett war auch unser Heim gewesen, und dies Zimmer war unser Heim im gleichen Sinne.
Während wir aßen trug Catherine meine Uniformjacke um die Schultern. Wir waren sehr hungrig, und das Essen war gut, und wir tranken eine Flasche Capri und eine Flasche St. Estèphe. Ich trank das meiste, aber Catherine trank auch etwas, und sie fühlte sich großartig danach. Zum Essen gab es eine Schnepfe mit Kartoffelsouffle und Maronenpüree und Salat und Zabaione als Nachtisch.
«Es ist ein hübsches Zimmer», sagte Catherine. «Es ist ein herrliches Zimmer. Wir hätten die ganze Zeit, die wir in Mailand waren, hier zubringen sollen.»
«Es ist ein komisches Zimmer, aber es ist nett.»
«Laster ist doch was Herrliches», sagte Catherine. «Die Leute, die sich ihm hingeben, scheinen einen guten Geschmack zu haben. Der rote Plüsch ist wirklich großartig. Gerade richtig. Und die Spiegel sind entzückend.»
«Du bist ein fabelhaftes Mädchen.»
«Ich weiß nicht, wie solch ein Zimmer ist, um morgens darin aufzuwachen. Aber es ist ein fabelhaftes Zimmer.» Ich goß ihr noch ein Glas St. Estèphe ein.
«Ich wünschte, wir könnten etwas schrecklich Lasterhaftes tun», sagte Catherine. «Alles, was wir machen, scheint so unschuldig und natürlich. Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir irgendwas Unrechtes tun.»
«Du bist ein fabelhaftes Mädchen.»
«Ich hab nur Hunger. Ich werde schrecklich hungrig.»
«Du bist ein großartiges, natürliches Mädchen», sagte ich.
«Ich bin eine ganz natürliche Frau. Niemand außer dir hat das je kapiert.»
«Einmal, zu Anfang unserer Bekanntschaft, habe ich mir einen ganzen Nachmittag lang ausgemalt, daß wir zusammen ins Hotel Cavour gehen würden, und wie es dann sein würde.»
«Das war furchtbar frech von dir. Dies ist nicht das Cavour, nicht wahr?»
«Nein. Da hätten sie uns nicht reingelassen.»
«Später werden sie uns schon reinlassen. Aber das ist der Unterschied zwischen uns, Liebling. Ich habe überhaupt an nichts gedacht.»
«Niemals? Überhaupt nicht?»
«Ein bißchen doch», sagte sie.
«Ach, du bist einfach wunderbar.» Ich goß noch ein Glas Wein ein.
«Ich bin ein sehr einfaches Mädchen», sagte Catherine.
«Das dachte ich zuerst gar nicht. Ich hielt dich für verrückt.»
«Ich war ein bißchen verrückt. Aber nicht verrückt in einer komplizierten Art. Nicht wahr, ich hab dich doch nicht verwirrt, Liebling?»
«Wein ist was Herrliches», sagte ich. «Man vergißt alles Schlimme.»
«Ja, Wein ist herrlich», sagte Catherine. «Aber mein Vater hat furchtbare Gicht davon bekommen.»
«Hast du einen Vater?»
«Ja», sagte Catherine.« Er hat Gicht. Du brauchst ihn nie kennenzulernen. Hast du keinen Vater?»
«Nein», sagte ich, «einen Stiefvater.»
«Werde ich ihn nett finden?»
«Du brauchst ihn nicht kennenzulernen.»
«Wir haben's doch herrlich», sagte Catherine. «Mich interessiert überhaupt nichts mehr außer dir. Ich bin so sehr glücklich
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