In einem anderen Land
war. Es war steif wie ein Brett.»
Rinaldi bog es stärker. Ich beobachtete seine Hände. Er hatte feine Chirurgenhände. Ich sah auf seinen Kopf, sein Haar glänzte und war glatt gescheitelt. Er bog das Knie zu weit.
«Au», sagte ich.
«Du müßtest noch eine orthopädische Behandlung durchmachen», sagte Rinaldi.
«Es ist besser, als es war.»
«Das seh ich, Kleiner. Hiervon versteh ich mehr als du.» Er stand auf und setzte sich auf mein Bett. «Das Knie selbst ist gut gemacht.» Mein Knie war jetzt für ihn erledigt. «Erzähl mir mal jetzt von allem.»
«Es gibt nicht viel zu erzählen», sagte ich, «ich hab ein sehr ruhiges Leben geführt.»
«Du bist ja wie ein verheirateter Mann», sagte er. «Was ist denn mit dir los?»
«Nichts», sagte ich. «Was ist denn mit dir los?»
«Dieser Krieg bringt mich um», sagte Rinaldi. «Er deprimiert mich.» Er faltete die Hände über seinem Knie.
«Ach!» sagte ich.
«Was ist denn los? Darf ich nicht auch einmal menschliche Regungen haben?»
«Nein, ich sehe doch, daß du eine großartige Zeit hinter dir hast. Los, erzähle.»
«Den ganzen Sommer und Herbst hab ich operiert. Ich arbeite die ganze Zeit. Ich mach die Arbeit von allen. Alle schwierigen Sachen überlassen sie mir. Bei Gott, Kleiner, ich werde ein großartiger Chirurg.»
«Das klingt besser.»
«Ich denke nie. Nein, bei Gott, ich denke nicht, ich operiere.»
«Das ist recht.»
«Aber jetzt, Kleiner, ist alles vorbei. Ich operiere jetzt und fühl mich sauelend. Dies ist ein schrecklicher Krieg, Kleiner. Du kannst es mir schon glauben. Jetzt tröste mich mal ein bißchen. Hast du die Grammophonplatten mitgebracht?»
«Ja.»
Sie waren in Papier eingewickelt in einer Pappschachtel in meinem Rucksack. Ich war zu müde, um sie rauszuholen.
«Fühlst du dich denn auch nicht gut, Kleiner?»
«Ich fühle mich sauelend.»
«Dieser Krieg ist furchtbar», sagte Rinaldi. «Komm, komm, wir wollen uns beide betrinken und vergnügt sein. Dann wollen wir ausgehen, und danach geht's uns wieder glänzend.»
«Ich hab die Gelbsucht gehabt», sagte ich. «Und kann mich nicht betrinken.»
«Ach, Kleiner, wie bist du mir wiedergegeben worden! Du kommst totenernst und mit einer Leber behaftet zurück. Ich sag dir, dieser Krieg ist etwas Gräßliches. Warum führen wir ihn überhaupt?»
«Wir wollen was trinken. Ich will mich nicht betrinken, aber trinken können wir schon.»
Rinaldi ging durchs Zimmer zum Waschtisch und brachte zwei Gläser und eine Flasche Cognac an.
«Es ist österreichischer Cognac», sagte er. «Sieben Sterne. Das ist alles, was sie auf San Gabriele erobert haben.»
«Warst du da oben?»
«Nein, ich war nirgends. Ich war die ganze Zeit über hier und hab operiert. Sieh mal, Kleiner, hier ist dein altes Zahnput zglas. Ich hab's die ganze Zeit über als Erinnerung an dich aufgehoben, um dich nicht zu vergessen.»
«Um nicht zu vergessen, dir die Zähne zu putzen.»
«Nein, ich hab mein eigenes. Dies hab ich behalten, um nicht zu vergessen, wie du morgens versucht hast, dir die Villa Rossa von den Zähnen zu bürsten, fluchend und Aspirin fressend und die Nutten verwünschend. Jedesmal wenn ich das Glas sehe, muß ich daran denken, wie du versucht hast, mit einer Zahnbürste dein Gewissen zu reinigen.» Er kam herüber an mein Bett. «Gib mir einen Kuß und sag, daß du nicht seriös geworden bist.»
«Ich werde dich nie im Leben küssen. Du bist ein Affe.»
«Ich weiß, daß du der feine, brave Angelsachse bist. Ich weiß. Du bist der Knabe mit Gewissensbissen, ich weiß. Ich werde warten, bis der Angelsachse sich wieder die Hurerei mit einer Zahnbürste wegputzt.»
«Gieß mir ein bißchen Cognac ein.»
Wir stießen an und tranken. Rinaldi lachte mich an.
«Ich werde dich unter Alkohol setzen und deine Leber rausnehmen und dir eine gute italienische Leber einsetzen und wieder einen Mann aus dir machen.»
Ich hielt ihm das Glas zum Einschenken hin. Draußen war es jetzt dunkel. Mit dem Cognacglas in der Hand ging ich hinüber ans Fenster und öffnete es. Es hatte aufgehört zu regnen. Es war kälter draußen und Nebel lag auf den Bäumen.
«Gieß den Cognac nicht zum Fenster raus», sagte Rinaldi. «Wenn du ihn nicht trinken kannst, gib ihn mir.»
«Geh doch zum Teufel», sagte ich. Ich war froh, Rinaldi wiederzusehen. Er hatte mich zwei Jahre lang aufgezogen, und ich hatte es immer gern gehabt. Wir verstanden einander ausgezeichnet.
«Bist du verheiratet?» fragte er vom
Weitere Kostenlose Bücher