In einer anderen Welt (German Edition)
anzündete, genau wie sie. Ich kurbelte das Fenster herunter, wegen der frischen Luft. Ich finde noch immer nicht, dass er uns irgendwie ähnlich sieht. Was nicht nur an dem Bart liegt. Ich fragte mich, was Mor von ihm gehalten hätte, und verdrängte den Gedanken, so gut es ging. Nach einer Weile sagte er zwischen zwei Zügen: »Ich habe dich als ›Markova‹ angemeldet.«
So heißt er. Daniel Markova. Das habe ich schon immer gewusst. Dieser Name steht auch in meiner Geburtsurkunde. Er war mit meiner Mutter verheiratet. Sie heißt auch so. Aber ich habe den Namen nie verwendet. Mein Nachname lautet Phelps, und so wurde ich auch in der Schule genannt. Phelps bedeutet etwas, zumindest in Aberdare – meine Großeltern, meine Familie. Mrs Markova dagegen, das ist die Verrückte, meine Mutter. Aber in Arlinghurst spielt das bestimmt keine Rolle.
»Morwenna Markova ist ein ziemlicher Zungenbrecher«, brummte ich nach einer ganzen Weile.
Er lachte. »Das habe ich auch gesagt, als ihr auf die Welt kamt. Morwenna und Morganna.«
»Sie hat gesagt, du hättest die Namen ausgesucht«, entgegnete ich leise, während ich aus dem Fenster starrte. Felder, die aussahen wie Flickenteppiche, glitten an uns vorbei. Auf manchen standen noch die Stoppeln, andere waren bereits umgepflügt.
»Das ist wohl wahr«, sagte er. »Sie hatte eine Liste gemacht, und ich sollte entscheiden. Alle Namen waren sehr lang und sehr walisisch. Ich habe ihr erklärt, das wären alles rechte Zungenbrecher, aber sie hat gesagt, die Leute würden schon Kurzformen finden. Haben sie das?«
»Ja«, erwiderte ich, den Blick weiterhin abgewandt. »Mo oder Mor. Oder Mori.« Wenn ich einmal eine berühmte Dichterin bin, werde ich mich Mori Phelps nennen. Diesen Namen schreibe ich auch in meine Bücher. Ex libris Mori Phelps. Und was hat Mori Phelps mit Morwenna Markova zu tun und mit ihrer neuen Schule? Eines Tages wirst du darüber lachen, redete ich mir ein. Du wirst zusammen mit Leuten darüber lachen, die so klug und kultiviert sind, wie ich mir das heute gar nicht vorstellen kann.
»Und deine Schwester, wurde sie Mog gerufen?«, fragte er.
Bisher hatte er sie noch mit keinem Wort erwähnt. Ich schüttelte den Kopf, bis mir bewusst wurde, dass er fuhr und mich nicht ansah. »Nein«, sagte ich. »Mo oder Mor, wie ich auch.«
»Aber wie haben sie euch auseinandergehalten?« Er sah immer noch nicht zu mir herüber, sondern zündete sich eine weitere Zigarette an.
»Gar nicht.« Ich lächelte in mich hinein.
»Macht es dir etwas aus, wenn du in der Schule Markova heißt?«
»Mir ist das gleichgültig. Außerdem zahlst du ja für alles.«
Er wandte sich zu mir um, nur ganz kurz, und schaute dann wieder geradeaus. »Meine Schwestern kommen für alles auf. Ich habe kein eigenes Geld, nur das, was sie mir zugestehen. Weißt du über meine familiäre Situation Bescheid?«
Was gab es da schon zu wissen? Ich wusste nichts über ihn, außer dass er Engländer war, weshalb ich mich im Sandkasten andauernd hatte prügeln müssen, und dass er mit neunzehn meine Mutter geheiratet hatte und zwei Jahre später weggelaufen war, während sie im Krankenhaus lag und noch ein Kind bekam, das gestorben ist, und zwar an dem Schock. »Nein«, sagte ich.
»Meine Mutter war mit einem Mann namens Charles Bartleby verheiratet. Er war ziemlich reich. Sie hatten drei Töchter. Dann brach der Krieg aus. 1940 ging er als Soldat nach Frankreich, wo er gefangen genommen und in ein Lager gesteckt wurde. Meine Mutter ließ ihre drei kleinen Töchter bei ihrer Großmutter Bartleby in Old Hall, dem Haus, das wir gerade verlassen haben. Sie ging in der Kantine der RAF arbeiten, um ihren Anteil zur Verteidigung des Landes beizutragen. Dort lernte sie einen polnischen Luftwaffenoffizier namens Samuel Markova kennen und verliebte sich in ihn. Er war Jude. Ich wurde im März 1944 geboren. Im September 1944 wurde Bartleby aus dem Lager befreit und kehrte nach England zurück, wo er und meine Mutter sich scheiden ließen. Sie heiratete meinen Vater, der gerade erfahren hatte, dass seine ganze Familie in Polen ermordet worden war.«
Hatte er auch eine Frau und Kinder gehabt? Bestimmt. Ein polnischer Jude! Ich bin also zum Teil polnischer Abstammung. Und zum Teil eine Jüdin? Alles, was ich über das Judentum weiß, stammt aus Lobgesang auf Leibowitz und Es stirbt in mir . Na ja, und wohl auch aus der Bibel vermutlich.
»Meine Mutter hatte etwas eigenes Geld, aber nicht sehr viel. Nach dem
Weitere Kostenlose Bücher