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In einer Familie

In einer Familie

Titel: In einer Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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bestand. Un-
    ter dem unliebsamen und verlegen machenden Ein-
    fluß ihres Blickes verneigte er sich weniger leicht und
    gewandt, als er andernfalls gethan hätte, vor der
    Dame, welche in einer Ecke des Zimmers und von ei-
    ner spanischen Wand halb verborgen, hinter ihrem
    Theetisch saß. In der blitzschnellen Überlegung je-
    doch, mit der bei einer solchen ersten Begegnung
    einer den andern zu prüfen und zu messen pflegt,
    fand er dabei die falsche Ironie, welche im Gegensatz
    zu der wahren, die ein Ausdruck der Überlegenheit
    ist, sich in Momenten großer Verlegenheit einstellen
    kann.
    »Das sind Sicherheitszündhölzchen«, sagte er
    sich, indes ihn die beiden rätselhaften Augen, welche
    sich an den seinigen festgesogen zu haben schienen,
    nicht losließen. »Dieses spielende, sinnliche Feuer-
    chen hat die glückliche Besitzerin immer in ihrer
    Gewalt; es kann kein Unheil anrichten, wenn sie es
    nicht will.«
    Der heimliche Spott, mit dem er sich hatte ermu-
    tigen wollen, machte ihn schließlich nur beklomme-
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    ner. Er litt unter der haltlosen Furcht, sie möchte
    seine Gedanken entziffern können. Auch befrem-
    dete ihn sein eigenes Schweigen, während er doch
    zugleich fühlte, daß diese Frau gewohnt sein müsse,
    nach ihrem Willen eine Unterhaltung anzuknüpfen
    oder Schweigen herrschen zu lassen.
    So war es für ihn eine Erlösung, als sie ihn endlich
    mit einer langsamen wagerechten Bewegung ihrer
    Hand zum Sitzen einlud. Während er sich in einem
    niedrigen Sessel der Dame gegenüber an dem orien-
    talischen Tischchen niederließ, auf dessen ge-
    schmackvoll eingelegter Platte das Theegeschirr
    stand, begann Frau v. Grubeck zu sprechen. Sie teilte
    ihm zunächst auch ihrerseits mit, daß ihr Gatte mit
    seiner Tochter eine Promenade mache; indes würden
    sie vermutlich bald zurück sein.
    »Mein Mann«, so fügte sie hinzu, »hat sich außer
    diesem täglich eingehaltenen Morgenritt auch an-
    dere körperliche Übungen zur Gewohnheit ge-
    macht. Wenn man so früh altert wie er, ist die kleine
    Eitelkeit, es nicht scheinen zu wollen, ja ganz be-
    greiflich, nicht wahr?«
    Wellkamp erwiderte auf die flüchtig ausgespro-
    chene Frage mit einer Verbeugung, die anders als
    die frühere, indes nicht sonderlich verbindlich aus-
    fiel.
    Sobald sie ihn angeredet, war ihm die wunderliche
    Verlegenheit der letzten Minuten völlig benommen
    gewesen. Was sie gesagt, war unbedeutend, der Spott
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    und die kaum verhohlene Geringschätzung, mit der
    sie einem ihr gänzlich Fremden in der ersten Viertel-
    stunde von ihrem Gatten sprach, verletzte sein Emp-
    finden. Auch ihre Stimme, welche hoch, aber ver-
    schleiert wie ihr Blick war, und in deren leichte Hei-
    serkeit sich bei jenen spöttischen Worten mehrere
    Male ein schriller Ton gemengt hatte, war ihm un-
    sympathisch.
    Vielleicht war es ihr bewußt geworden, daß sie
    sich ihrem Gegenüber unvorteilhaft vorgestellt. Je-
    ner Instinkt mochte es ihr verraten haben, der man-
    chen Frauen behilflich ist, sich gleich bei einer ersten
    Begegnung in Ton und Haltung dem Geschmack des
    Mannes anzupassen.
    In jedem Fal e war es eine ihrem bisherigen Beneh-
    men widersprechende Bewegung, mit dem sie ihm
    jetzt die Hand entgegenstreckte, ohne Vorbereitung
    und scheinbar ein wenig verwirrt.
    »Aber ich habe ja ganz vergessen«, sagte sie mit
    einem diskret abbittenden Ton ihrer Stimme, welche
    sich nun modulationsfähiger erwies, als ihre ersten
    Worte vermuten ließen. Und während er sich, un-
    schlüssig, wie er ihre veränderte Haltung zu deuten
    habe, über die dargereichte Hand neigte, setzte sie
    hinzu: »Ich bin eine so abscheuliche Egoistin; ich
    hätte doch an meinen Glückwunsch denken sollen.
    Aber ich muß Ihnen nun auch eine sorgsame Mutter
    sein – wie meinen Sie?«
    »Ich hoffe, mir das Wohlwol en der gnädigen Frau
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    zu erwerben«, entgegnete der junge Mann verbind-
    lich.
    Sie bemerkte indes, daß während ihrer letzten, mit
    leichter Koketterie gesprochenen Worte seine Fin-
    gerspitzen, welche noch ihre Hand gefaßt hielten,
    leise zitterten.
    Als er wieder aufblickte, sah er ihre Augen mit
    einem nachdenklichen Ausdruck auf sich gerichtet. –
    Die kleine Pause, welche dann folgte, ging beiden
    fast unbemerkt vorüber, da jeder mit seinen, den an-
    dern prüfenden Gedanken beschäftigt war.
    Wellkamp seinerseits hatte in diesen Augenblik-
    ken die erste Gelegenheit, sich der Einzelheiten in
    ihrem Gesichte und ihrer Figur, unter deren

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