In einer Familie
bestand. Un-
ter dem unliebsamen und verlegen machenden Ein-
fluß ihres Blickes verneigte er sich weniger leicht und
gewandt, als er andernfalls gethan hätte, vor der
Dame, welche in einer Ecke des Zimmers und von ei-
ner spanischen Wand halb verborgen, hinter ihrem
Theetisch saß. In der blitzschnellen Überlegung je-
doch, mit der bei einer solchen ersten Begegnung
einer den andern zu prüfen und zu messen pflegt,
fand er dabei die falsche Ironie, welche im Gegensatz
zu der wahren, die ein Ausdruck der Überlegenheit
ist, sich in Momenten großer Verlegenheit einstellen
kann.
»Das sind Sicherheitszündhölzchen«, sagte er
sich, indes ihn die beiden rätselhaften Augen, welche
sich an den seinigen festgesogen zu haben schienen,
nicht losließen. »Dieses spielende, sinnliche Feuer-
chen hat die glückliche Besitzerin immer in ihrer
Gewalt; es kann kein Unheil anrichten, wenn sie es
nicht will.«
Der heimliche Spott, mit dem er sich hatte ermu-
tigen wollen, machte ihn schließlich nur beklomme-
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ner. Er litt unter der haltlosen Furcht, sie möchte
seine Gedanken entziffern können. Auch befrem-
dete ihn sein eigenes Schweigen, während er doch
zugleich fühlte, daß diese Frau gewohnt sein müsse,
nach ihrem Willen eine Unterhaltung anzuknüpfen
oder Schweigen herrschen zu lassen.
So war es für ihn eine Erlösung, als sie ihn endlich
mit einer langsamen wagerechten Bewegung ihrer
Hand zum Sitzen einlud. Während er sich in einem
niedrigen Sessel der Dame gegenüber an dem orien-
talischen Tischchen niederließ, auf dessen ge-
schmackvoll eingelegter Platte das Theegeschirr
stand, begann Frau v. Grubeck zu sprechen. Sie teilte
ihm zunächst auch ihrerseits mit, daß ihr Gatte mit
seiner Tochter eine Promenade mache; indes würden
sie vermutlich bald zurück sein.
»Mein Mann«, so fügte sie hinzu, »hat sich außer
diesem täglich eingehaltenen Morgenritt auch an-
dere körperliche Übungen zur Gewohnheit ge-
macht. Wenn man so früh altert wie er, ist die kleine
Eitelkeit, es nicht scheinen zu wollen, ja ganz be-
greiflich, nicht wahr?«
Wellkamp erwiderte auf die flüchtig ausgespro-
chene Frage mit einer Verbeugung, die anders als
die frühere, indes nicht sonderlich verbindlich aus-
fiel.
Sobald sie ihn angeredet, war ihm die wunderliche
Verlegenheit der letzten Minuten völlig benommen
gewesen. Was sie gesagt, war unbedeutend, der Spott
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und die kaum verhohlene Geringschätzung, mit der
sie einem ihr gänzlich Fremden in der ersten Viertel-
stunde von ihrem Gatten sprach, verletzte sein Emp-
finden. Auch ihre Stimme, welche hoch, aber ver-
schleiert wie ihr Blick war, und in deren leichte Hei-
serkeit sich bei jenen spöttischen Worten mehrere
Male ein schriller Ton gemengt hatte, war ihm un-
sympathisch.
Vielleicht war es ihr bewußt geworden, daß sie
sich ihrem Gegenüber unvorteilhaft vorgestellt. Je-
ner Instinkt mochte es ihr verraten haben, der man-
chen Frauen behilflich ist, sich gleich bei einer ersten
Begegnung in Ton und Haltung dem Geschmack des
Mannes anzupassen.
In jedem Fal e war es eine ihrem bisherigen Beneh-
men widersprechende Bewegung, mit dem sie ihm
jetzt die Hand entgegenstreckte, ohne Vorbereitung
und scheinbar ein wenig verwirrt.
»Aber ich habe ja ganz vergessen«, sagte sie mit
einem diskret abbittenden Ton ihrer Stimme, welche
sich nun modulationsfähiger erwies, als ihre ersten
Worte vermuten ließen. Und während er sich, un-
schlüssig, wie er ihre veränderte Haltung zu deuten
habe, über die dargereichte Hand neigte, setzte sie
hinzu: »Ich bin eine so abscheuliche Egoistin; ich
hätte doch an meinen Glückwunsch denken sollen.
Aber ich muß Ihnen nun auch eine sorgsame Mutter
sein – wie meinen Sie?«
»Ich hoffe, mir das Wohlwol en der gnädigen Frau
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zu erwerben«, entgegnete der junge Mann verbind-
lich.
Sie bemerkte indes, daß während ihrer letzten, mit
leichter Koketterie gesprochenen Worte seine Fin-
gerspitzen, welche noch ihre Hand gefaßt hielten,
leise zitterten.
Als er wieder aufblickte, sah er ihre Augen mit
einem nachdenklichen Ausdruck auf sich gerichtet. –
Die kleine Pause, welche dann folgte, ging beiden
fast unbemerkt vorüber, da jeder mit seinen, den an-
dern prüfenden Gedanken beschäftigt war.
Wellkamp seinerseits hatte in diesen Augenblik-
ken die erste Gelegenheit, sich der Einzelheiten in
ihrem Gesichte und ihrer Figur, unter deren
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