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In einer Familie

In einer Familie

Titel: In einer Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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wieder den beiden jungen Leuten
    zu.
    »Aber das ist ja wahr«, rief er mit lauter und fröh-
    licher Stimme – »da kommt mir erst jetzt die Idee,
    Kinder, ihr könnt am Ende, bis ihr es bei euch ge-
    mütlich habt, hier bei uns unterkommen. Wir haben
    Platz, und da fäl t mir eben noch ein, daß ich von Mr.
    Bright – das ist nämlich unser Wirt – gehört habe,
    nebenan werde zum nächsten Ersten die andere
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    Hälfte der Etage frei; zwar ist es die kleinere, aber
    vielleicht kann sie euch fürs erste genügen.«
    Die ungezwungene und rasche Art, wie er diesen
    Vorschlag machte, ließ vermuten, daß sich der alte
    Herr mit seiner Gattin im Einverständnis befände.
    Indes kam keines der beiden Angeredeten auf den
    Gedanken, daß ihm sein Einfal , jedenfal s ohne daß
    er selbst es wahrnahm, nahegelegt und untergescho-
    ben sein könnte.
    Vielleicht setzte Frau v. Grubeck, als sie nun seine
    Worte bestätigte, ein wenig hastiger und interessier-
    ter ein, als es sonst in ihrer Art lag.
    »Natürlich ist hier hinreichend Raum für einen
    zweiten Haushalt – und außerdem«, fügte sie mit
    dem Lächeln, dessen rätselhafter Inhalt Wellkamp
    heute nicht zum erstenmal beschäftigte, hinzu, »–
    und außerdem werden wir Alten es dann etwas we-
    niger einsam haben.«
    Jedenfalls gab die so herbeigeführte Lösung der
    Frage allen das Bewußtsein, die Situation ein gutes
    Stück gefördert zu sehen. Außerdem erfüllte sie den
    Major mit rückhaltloser Befriedigung darüber, einen
    Aufschub der endgiltigen Trennung von seiner
    Tochter erreicht zu haben. Letztere selbst begrüßte
    vor allem die Entfernung des einzigen Hindernisses,
    welches einer baldigen Verbindung mit dem gelieb-
    ten Manne entgegengestanden hatte. Auch die Aus-
    sicht, ihren Vater auf diese Weise noch eine Zeitlang
    in unmittelbarer Nähe zu behalten, erfreute sie, ob-
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    wohl sie andererseits einen schließlichen Wegzug aus
    dem Hause der Reichsstraße als selbstverständlich
    ansah und um der ersehnten Entfernung willen aus
    dem Kreise der ihr unsympathischen Frau ihres Va-
    ters auch wünschte. Wellkamp glaubte seinerseits
    hierin mit seiner Braut völlig übereinzustimmen,
    und so fand er keine Erklärung für den leisen, kalten
    Schauer, der während der Entscheidung, welche die
    Worte seines Schwiegervaters und Frau v. Grubeck
    enthielten, durch sein Blut gegangen war und sein
    Herz berührt hatte. Wenn er zugleich den Wunsch
    empfunden hatte, die von Herrn v. Grubeck be-
    zeichnete, in der nächsten Nachbarschaft gelegene
    Wohnung zu seiner ständigen zu machen, so hätte er
    denselben sicherlich im nächsten Augenblick mit
    guter Überzeugung ableugnen dürfen, so flüchtig
    und auch in Gedanken unausgesprochen war er ge-
    wesen.
    Was Frau v. Grubeck betrifft, so vermutete bei ihr
    keiner der andern in dieser Angelegenheit wirkliche
    Wünsche und Interessen. Auch war die Gleichgiltig-
    keit, die sie gezeigt hatte, wohl nur zur Hälfte un-
    wahr. Der Impuls, jene Entscheidung herbeizufüh-
    ren, hatte sie selbst, sobald die fragliche Angelegen-
    heit zur Sprache gekommen war, ebenso unerwartet
    wie unwiderstehlich erfaßt. Wiewohl sie die Gründe
    desselben noch nicht kannte, hatte ihr Instinkt sie zu
    gleicher Zeit gewarnt, sich durch unvorsichtiges Be-
    folgen des ersten Antriebes bloßzustellen. Als sie so-
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    dann, dank der Fähigkeit des weiblichen geborenen
    Diplomaten, andere unvermerkt zum Aussprechen
    der Gedanken, die man selbst nicht laut werden las-
    sen möchte, zu leiten, ihr Ziel erreicht, hatte ihr die-
    ser Erfolg, während er sie heimlich triumphieren
    machte, zugleich auch eine unbestimmte Furcht ein-
    geflößt. Das Fehlen unmittelbarer, deutlich erkenn-
    barer Gründe für ihre Handlungsweise war dabei
    kaum zu ihrer Erkenntnis gelangt. Und dies mag
    wunderbarer klingen als es ist. Denn von wie vielen
    unserer Handlungen und Äußerungen kennen wir
    in demselben Augenblicke, wo wir sie thun, in
    Wahrheit die Gründe? Wir mögen häufig äußerliche
    Ursachen mit den tieferen Triebfedern verwechseln,
    und noch öfter mögen wir uns fingierte Gründe statt
    der thatsächlichen unterschieben, zumal wenn wir,
    uns letztere zuzugeben, durch unsere Eigenliebe
    verhindert werden. Es ist gewiß, daß es um unsere
    Selbsterkenntnis anders stehen müßte, sollten wir in
    keinem Fal e etwas thun, ohne uns zuvor ein Warum
    aufrichtig beantwortet zu haben. Aber es ist ebenso
    sicher, daß uns dies nicht zufriedener

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