In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
Federn.
»Hier sind Federn«, rief Anderson den anderen zu und versuchte, Brownes Krallengriff von seinem Arm zu lösen. Zuerst erkannte er nicht, worum es sich bei dem Durcheinander handelte, aber langsam passte eins zum anderen. Es waren die Überreste eines Vogels, der mit einem Messer durchbohrt war.
Littlewood kam herüber. »Das ist ein blöder Kakadu«, verkündete er.
»Okay, jemand muss das Wort Kakadu an Quinns Ornithologen weitergeben. Ich wette, die weißen Federn am Tatort stammen von ihm.«
Littlewood betrachtete den toten Vogel weiter. »Oh mein Gott, jemand hat ihm die Flügel abgeschnitten.«
»Das hat man im Mittelalter gemacht«, sagte Batten von der Tür. »Wenn Sie ein Vergewaltiger waren, hat man Ihrem Falken die Flügel und Ihrem Pferd den Kopf abgeschnitten.«
»Warum haben die den Vergewaltigern nicht einfach die Eier abgeschnitten?«, meinte Browne, die ihren Kopf nun in Andersons Schulter vergraben hatte. »Oder ist das zu einfach?«
Mulholland drückte auf die Klingel von Strathearn und bekam über die Gegensprechanlage gesagt, er solle heraufkommen.
»Geradeaus die Haupttreppe hoch, dann links und die zweite Tür«, sagte Marita.
Wenn er anfangs gedacht hatte, Marita Kennedy sei körperlich eine attraktive Frau, so stimmte das nun umso mehr. Sie war nicht ganz so perfekt wie an dem Tag, an dem sie den Aufruf gefilmt hatten, doch irgendwie wirkte sie dadurch noch bezaubernder. Sie trug ein hochgeschlossenes schwarzes Kleid, das ein wenig zu eng saß und ein wenig zu kurz war, um als Trauerkleidung durchzugehen. Ihr frisch gewaschenes Haar war noch nicht getrocknet und an den Rändern noch aufgeplustert.
»Hallo«, sagte sie beiläufig und öffnete die Tür, an die er sanft geklopft hatte. Dann, als habe sie ihn jetzt erst erkannt, fügte sie hinzu: »Ach, hallo.« Schöne Menschen zogen sich automatisch gegenseitig an. Sie bat ihn herein.
Er dachte, er würde eine Art privates Wohnzimmer betreten, aber stattdessen kam er in mehrere Räume, die durch einen großen bogenförmigen Durchbruch miteinander verbunden waren. Es sah aus wie auf einem Filmset. Offensichtlich handelte es sich beim ersten um ein Ankleidezimmer, beim nächsten um ihr Schlafzimmer, und dann folgte ein weiteres, in dem er nur die Rückseite eines Sofas sehen konnte. Durchgehend lag cremefarbener Teppichboden, überall sah er Beige und Gold. Der Spiegel eines riesigen Ankleidetisches war von Glühbirnen eingefasst. Es gab ein ganzes Regal mit Make-up und eine Wand nur aus Spiegeln, von denen zwei schwenkbar waren, damit man sich auch von hinten betrachten konnte. Mulholland wusste wohl, dass er selbst eitel war, dies hingegen war auch für ihn eine ganz neue Qualität.
»Kommen Sie rein und machen Sie es sich bequem.« Ihre Finger mit den langen Nägeln packten seinen Unterarm, und er wurde ins Boudoir gezogen. »Vielleicht können Sie mir erklären, was eigentlich vor sich geht? Ich weiß nicht, was ich von alldem halten soll. Ständig frage ich mich, ob dort draußen jemand hinter mir herläuft. Hat die Sache etwas mit mir zu tun, was denken Sie?«
Mulholland hüstelte. »Haben Sie schon von Ihrer Schwester gehört?«
»Ich habe denen die Anweisung gegeben, die Beatmung abzustellen, wenn sie es für richtig halten.« Marita blieben die Worte im Hals stecken, und sie hielt sich eine Fingerspitze unter die Augen, damit keine Träne ihr Make-up zerstören konnte. »Streng genommen ist sie irgendwann gestern gestorben, sie ist einfach davongeschwebt. Ich wollte sie nicht dahinvegetieren lassen, das hätte sie sich nicht gewünscht. Ich weiß es, ich bin ja ihre Schwester. Was ich getan habe, war am besten für sie.« Sie legte sich die Hände auf die Brust. Ihre Finger spannten sich, zehn perfekte Nägel. »Ich fürchte, ich muss jetzt los.« Sie lächelte bezaubernd. »Weshalb sind Sie denn gekommen?«
»Ich denke, Sie sollten nirgendwo hingehen.«
»Diese Quinn will mir keinen Schutz geben. Natürlich kann da draußen irgendwer im Nebel lauern, aber das Leben geht eben auch weiter.« Nun lagen ihre Finger auf seiner Brust.
Vik lächelte, so charmant er konnte, hob ihre Hand von seinem Mantel und schloss die Finger darum. »Das muss schrecklich sein, was Sie durchmachen, doch leider müssen Sie noch ein bisschen Geduld mit uns haben«, sagte er ernst. »Wir sind dicht an der Person dran, die Ihre Schwester überfallen – und getötet – hat. Wollen Sie wirklich ausgehen? Es ist draußen vielleicht nicht
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