In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
augenblicklich verflogen war. Irgendetwas stimmte da nicht.
»Marita hat gesagt, niemand dürfe zu ihr. Und Itsy ist … also, wir verlieren sie. Es wird nicht mehr lange dauern.«
Costello wich einen Schritt zurück. »Ach, damit habe ich nicht gerechnet.«
»Tut mir leid«, sagte der Arzt. »Wir wollten eigentlich gerade sogar die künstliche Beatmung abstellen und dachten, Sie gehören zur Familie und wollten sich von ihr verabschieden.«
»Haben Sie Marita angerufen?«
»Nein, sie hat klare Anweisungen hinterlassen«, sagte die Krankenschwester, der immer unbehaglicher zumute zu sein schien.
»Ihr die lebenserhaltenden Maßnahmen abzuschalten? Aber Sie haben mit Iain telefoniert?«
»Marita hat gesagt, er dürfte nicht kontaktiert werden. Sie war sehr eindeutig – nur die Familie. Und sie ist die nächste Verwandte.«
»Also können Sie ihn nicht anrufen?«
»Nicht ohne ihre Erlaubnis.«
»Harry«, sagte Costello und zog ihr Telefon hervor, »könnten Sie Iain anrufen? Nur um ihm zu sagen, dass er herkommen muss.«
»Dürfen Sie das denn?«
»Nein, aber Sie. Machen Sie schon.«
Harry starrte auf den Bildschirm und tippte die Nummer in sein Handy, dann ging er den Korridor entlang auf die Fahrstühle zu.
»Wie lange hat sie noch?«, fragte Costello die Krankenschwester.
»Sie atmet nicht selbstständig, und es gibt kein Anzeichen für Aktivität im Stammhirn. Da Marita uns die Erlaubnis gegeben hat, die künstliche Beatmung jederzeit abzustellen, liegt es ganz bei uns.«
»Können Sie sie noch am Leben lassen? Bitte! Nur eine Weile?«
Die Krankenschwester beugte sich zu Costellos Ohr vor. »Nur aus reiner Neugier, wer steht Itsy näher – er oder sie?«
»Definitiv er.«
»Das haben wir uns auch schon gedacht. Er hat sich viel mehr Sorgen gemacht von den beiden. Aber mit Marita konnte man nicht vernünftig reden.« Sie blickte auf die Uhr. »Ich bin schon spät dran und Doktor Wylie auch, deshalb können wir uns in der nächsten Zeit nicht darum kümmern.« Und damit gingen beide davon ins Schwesternzimmer.
Costello zog sich einen keimfreien Kittel über und betrat das Krankenzimmer. Es gab schon deutlich weniger Geräte hier, als würde man Itsy auf Raten abstöpseln. Costello nahm ihre Hand, eine winzige Hand, die sich nun noch kälter anfühlte. Sie hielt sie, rieb sie sanft und drückte sich die kalten Knöchel an die Lippen, ein vergeblicher Versuch, sie zu wärmen. »Halt durch, Itsy, halt einfach durch. Iain ist unterwegs.«
Ronnie Gillespies letzte bekannte Adresse war eine Mietwohnung am St. Andrew’s Square, einer alten georgianischen Häuserzeile um einen gepflegten Garten in der Mitte der Merchant City.
Den Streifenbeamten war es noch nicht gelungen, sich Zutritt zu verschaffen. Das beunruhigte Anderson. Und es beunruhigte ihn noch mehr, dass immer noch niemand wusste, wo Ronnie Gillespie steckte.
An der Klingel für Wohnung 3 / 2 war der Name des letzten Bewohners mit einem gedruckten Papierschild und R. Gillespie überklebt. Anderson drückte vier verschiedene Klingeln, bis er eine Antwort bekam. Er sagte schlicht »Polizei« und bat um Einlass. Die Tür brummte laut, und sie standen in einem sterilen hellblauen Eingang, in dem es nach frischer Farbe und neuem Teppich roch.
Irgendwo oben an der Betontreppe am Ende der Eingangshalle wurde eine Tür geöffnet. Anderson zückte seinen Dienstausweis.
Aus einer anderen Richtung hallte der Lärm einer Wii Guitar Hero von den kahlen Betonwänden wider. Jemand versuchte sich an St. Elmo’s Fire .
»Noch ein bisschen, und dann kriegen wir sie für Ruhestörung dran«, meinte Anderson, während er die Treppe hinaufging.
Auf halbem Weg kam ihm ein junger Mann entgegen, der aussah, als sei er früh aus dem Büro nach Hause gekommen.
Anderson zeigte seinen Dienstausweis, ehe er den Treppenabsatz erreichte. » DI Anderson, Partickhill«, sagte er. »Und Sie heißen …?«
»David Brady«, antwortete der Mann.
»Wir suchen Ronald Gillespie. Kennen Sie ihn?«
»Er wohnt oben. Genau über mir«, fügte Brady leicht genervt hinzu.
»Oh, gibt es Probleme?«, fragte Anderson, der einerseits keine Zeit verlieren und mit der Durchsuchung der Wohnung beginnen wollte, der andererseits aber auch wissen wollte, was Brady zu sagen hatte.
Das war nicht viel: Gillespie wohnte seit acht Monaten hier, und die Wohnung war eine der beiden im Haus, die vermietet wurden.
»Er ist nicht sonderlich laut oder so. Aber beim Unterbau des Bodens haben
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