In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
die bei der Schalldämmung gespart, und er hat dort oben nur billiges Laminat liegen. Man hört jeden Schritt, das ist ein bisschen ärgerlich.«
»Aber wenn Sie den ganzen Tag arbeiten …«
»Gillespie kommt und geht zu jeder Tages- und Nachtzeit. Ich weiß nie, wann er da ist oder ausgeht.«
»Reden Sie häufig mit ihm?«
Brady zuckte mit den Schultern. »Häufig kann man das nicht nennen. Gelegentlich trinken wir mal ein Pint zusammen, doch er erzählt wenig über sich. Also eigentlich weiß ich gar nichts über ihn.«
Iain Kennedy sah aus wie ein gebrochener Mann. Er machte den Eindruck, als habe er nicht geschlafen, sich nicht gewaschen, nicht gegessen und als habe er die letzten vierundzwanzig Stunden in der Gosse gelegen. Und hinter dieser Trostlosigkeit lauerte Zorn.
Castiglia war in seinen Jaguar gesprungen und die halbe Meile gefahren, um ihn abzuholen. Er hatte Kennedy am Eingang abgesetzt und war auf den Parkplatz gefahren. Kennedy durfte Itsys Zimmer ohne Schutzkleidung betreten. Was für einen Sinn ergab es, jemanden vor Infektionen schützen zu wollen, den man längst aufgegeben hatte? Costello ließ Itsys Hand los, erhob sich und überließ Iain ihren Platz.
Draußen im Korridor eilte Castiglia auf Costello zu. Er sagte kein Wort, rieb ihr nur die Schultern und setzte sich dann schweigend.
Der Arzt erschien. »Soll ich reingehen und mit ihm reden?«
Costello sah auf die Uhr. »Er ist erst ein paar Minuten drin.«
Der Arzt nickte und ging in die andere Richtung davon.
Sie sah auf. Harry bot ihr ein Minzbonbon an. »Hat er etwas gesagt?«, fragte sie und riss das Papier auf. »Was ist zwischen Marita und ihm passiert? Haben sie sich gestritten oder so?«
»Keine Ahnung, aber er ist unglaublich wütend. Sie hat sich nicht an ihren Teil der Abmachung gehalten. Einer von ihnen sollte immer hier sein, und er dachte, sie sei an der Reihe. Er wollte wissen, warum das Krankenhaus ihn nicht angerufen hat. Ich habe ihm erzählt, was man uns mitgeteilt hat. Danach war er außer sich.«
»Armer Kerl. Was für eine Zicke sie ist. Stellen Sie sich vor, jemandem die Chance zu nehmen, sich von demjenigen zu verabschieden, den man liebt.«
Castiglia legte die Hand über ihre und drückte sanft zu. »Mulhollands Wagen steht in Strathearn. Quinns Wagen steht vor dem Tor.«
Costello schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung, was das zu bedeuten hat.« Sie stand auf. Ihr war unbehaglich zumute, weil er sich Sorgen machte. Sie ging zu der Glasscheibe und lehnte die Stirn daran. Itsy lag reglos in ihrem Bett. Die Sinuskurve auf dem Überwachungsmonitor wanderte von links nach rechts, immer wieder von links nach rechts wie eine grüne Schlange.
Sie schaute zu, während Iain den Verband von Itsys Stirn löste. Eine winzige tizianrote Strähne war bei der Rasur vor der Operation verschont geblieben, und sie lag als Locke wie ein Blutbuchenblatt auf der bleichen Haut. Er beugte sich vor und küsste sie. »Auf Wiedersehen, meine Itsy Bitsy«, murmelte er. Hinter ihm verlor die Sinuskurve an Stärke. Nach und nach wurde sie flacher. Bis nur noch ein Strich blieb.
Iain saß noch eine Minute bei Itsy, ehe er aufstand und nach draußen zu Costello kam.
»Sie ist tot«, sagte er. »Sie hat auf mich gewartet. Damit ich mich verabschieden konnte.«
Dann legte er den Kopf auf Costellos Schulter und begann wie ein kleines Kind zu weinen.
Das Zimmer war sehr dunkel. Anderson zögerte in der Tür und ließ seinen Augen Zeit, sich daran zu gewöhnen. Die Jalousien waren geschlossen, die Heizung lief auf vollen Touren, und es roch nach Sex und Blut und Gewalt. Er zog sich Füßlinge über die Schuhe und ging hinein, um die Jalousie mit Latexhandschuhhänden zu öffnen. Browne und er standen da und sahen sich um: weiße Ledergarnitur, Laminatboden, cremefarbene Wände, Couchtisch. Das Team folgte ihnen vom Treppenabsatz herein.
»Schauen Sie sich vor allem Schlafzimmer und Badezimmer gut an«, sagte er zu ihr. »Achten Sie auf Anzeichen dafür, dass Gillespie geflohen ist.«
Browne machte sich daran, methodisch Schränke zu durchsuchen und unter dem Bett nachzusehen. Kurz öffnete sie die Badezimmertür und sah hinein.
»Keine leeren Fächer im Kleiderschrank«, berichtete sie. »Koffer und Sporttasche sind da, Zahnbürste ebenfalls.«
Dann schrie sie plötzlich, und Anderson erschrak sich zu Tode. Sie schlug sich die Hand vor den Mund und zeigte auf ein blutiges Durcheinander in einem Käfig in der Ecke.
Weiße
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