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In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)

In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer kalten Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caro Ramsay
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hat?«
    Die Leiche schwang sanft hin und her, und das leise Knarren des Seils am verrosteten Stahlträger war das einzige Geräusch. Ranken wuchsen entlang der schmiedeeisernen Streben, und langsam gewann die Natur den Kampf und eroberte diesen Ort für sich zurück. Gillespies Schuhe hingen in Höhe von Costellos Gesicht, und sie sah das Muster seiner Turnschuhe, wo ein Kaugummi in der Rille einer Hacke klebte. Er trug Socken, zwei schwarze, die jedoch nicht zum gleichen Paar gehörten.
    Costello betrachtete die hervorquellenden Augen, die Zunge, die durch einen Riss in der Wange ragte, die Lippen, die sich kräuselten wie eine halb geschlossene Rose.
    »Er ist doch nicht allein dort hochgekommen?«, fragte Anderson. »Man braucht schon einen Mann mit viel Kraft, um ihn so hoch zu hieven. Und es sieht aus, als sei der Mund verklebt.«
    »Dann hatte Batten also recht. Als seine DNA entdeckt wurde, hatte er sein eigenes Todesurteil unterschrieben.«
    »Aber wer wusste davon?«
    Gillian Browne wusste, sie würde zugeben müssen, dass sie es einfach nicht konnte. Anthony Abbott war in der Minute von Strathearn abgeholt worden, in der man Gillespies Leiche gefunden hatte, und Wyngate und sie sollten ihn eigentlich vernehmen. Anderson hatte kurz mit ihr besprochen, was sie fragen und was sie herausbekommen sollte. Sie würde ausprobieren, was sie an Verhörtechniken in Tulliallan gelernt hatte. Gillian sollte ermitteln, wie Tony die Beziehung zwischen Marita und Bobby sah, ob er sich eine sexuelle Affäre vorstellen konnte. Dr. Batten hatte gesagt, das sei wichtig; es musste ein Element der »Liebe« geben, reine Verehrung, die vom Untergebenen zur Vorgesetzten gerichtet war. So funktionierten solche Dinge. Dann musste sie herausfinden, wie viel er über das alte Gewächshaus wusste und ob er gesehen hatte, dass Fahrzeuge durch das hintere Tor ein und aus gefahren waren. Sie hatte sich Block und Stift zurechtgelegt, und das Aufnahmegerät stand bereit.
    Aber nun saß sie in der Besenkammer, die als Vernehmungsraum zwei bezeichnet wurde, und hatte einen alten Mann mit zitternden Händen vor sich, der gar nichts mehr mit der freundlichen, selbstsicheren Person zu tun hatte, mit der sie im Gewächshaus Tee getrunken hatte. Das Gesicht des kleinen Tony war verhärmt und faltig. Es erinnerte sie an jemanden, den sie kannte, jemanden, den sie mochte. Allerdings wollte er offensichtlich nicht hier sein, und sie wünschte, sie könnte ihm erlauben, die Zigarette zu rauchen, die er unbedingt brauchte.
    Doch im Augenblick konnte sie überhaupt nichts tun, da Wyngate herausgerufen worden war. Ohne Zweifel war etwas anderes über Marita ans Licht gekommen. An dem Punkt hatte sich Abbott vorgebeugt und darauf hingewiesen, dass das offizielle Verhör nicht fortgeführt werden konnte. Schon davor hatte er alle Versuche von ihr zu erkunden, ob er ein Vorstrafenregister hatte, gemauert. Im System war niemand mit seinem Namen und dem passenden Alter zu finden. Abbott hatte nur mit den Schultern gezuckt. »Na, dann eben nicht.« Das war weder ein Leugnen noch ein Eingeständnis.
    Er blickte durch das schmierige Fenster des Vernehmungsraums nach draußen und machte lediglich eine Bemerkung über den schlimmen Nebel. Anschließend fragte er, was sie oben in Strathearn machten.
    »Suchen«, antwortete sie.
    »Und Sie müssen hierbleiben, weil Sie eine Frau sind? Sie dürfen nicht hinaus in den Nebel?«
    »Nein, DS Costello ist oben in Strathearn, und sie ist eine Frau«, erwiderte Browne stolz. »Sie werden die ganze Nacht dortbleiben.«
    Abbott nickte. Dann legte er sich die Hand auf die Brust. »Ich habe mein Spray verlegt. Bestimmt habe ich es im Gewächshaus liegen lassen. Eigentlich müsste ich eine Tablette nehmen. Kann ich vielleicht ein Glas Wasser bekommen?« Er griff in die Tasche und holte eine Tablettenpackung hervor, die er auf den Tisch legte.
    Sie erkannte die Tabletten, die ihr Vater vor seinem vierten und letzten Herzinfarkt genommen hatte. »Natürlich«, antwortete sie und wurde weich.
    Er wirkte so erledigt, fast grau, und so müde.
    Sie war vielleicht zwei Minuten fort, um einen Plastikbecher mit Wasser aus der Toilette unten zu holen. Auf dem Rückweg blieb sie nur kurz stehen, um Nesbitt zu streicheln.
    Als sie die Tür von Vernehmungsraum zwei öffnete, sagte sie: »Bitte schön.«
    Doch sie redete mit einem leeren Raum.
    Batten nahm den Anruf im Geisterzimmer entgegen, zu dem der Ermittlungsraum von Partickhill mutiert

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