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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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für die Baum-Versuchsfarm sind...«
    »... finden keine Unterlagen über die Verbuchung durch die Stadt von...«
    »... die Vergabe des Anteils des Staates an der Finanzierung wurde nicht hinreichend dokumentiert...«
    »... die fehlenden Ausgabebelege müssen...«
    »... Kassenzettel reichen nicht aus als...«
    »... müssen wir die vollständige Belegung der Ausgaben verlangen...«
    Und nun dieser letzte, der gestern gekommen war. Der ihn gestern abend nach Lewiston getrieben hatte, obwohl er sich geschworen hatte, während der Trabrennsaison nie wieder hinzufahren.
    Keeton starrte den Brief an. Sein Kopf dröhnte und hämmerte; ein großer Schweißtropfen rann ihm langsam über den Rücken. Unter seinen Augen lagen dunkle Ringe der Erschöpfung. An einem seiner Mundwinkel hatte sich ein Bläschen gebildet.
    OBERSTE FINANZBEHÖRDE
State House
Augusta, Maine 04330
    Der Briefkopf unter dem Staatssiegel kreischte ihn an, und die Anrede, die kalt und formell war, drohte:
    An den Stadtrat von Castle Rock.
    Nur das. Nicht mehr »Lieber Dan« oder »Lieber Mr. Keeton.« Keine guten Wünsche für seine Familie mehr am Schluß. Der Brief war so kalt und abscheulich wie ein Stich mit einem Eispfriem.
    SIE wollten die Bücher der Stadt prüfen.
    Sämtliche Bücher der Stadt.
    Die Steuererklärungen der Stadt, die Unterlagen über die Anteile des Staates und der Bundesregierung, die Ausgabenbelege der Stadt, die Ausgaben für den Straßenbau, das Budget der Polizei, das Budget der Öffentlichen Anlagen, sogar die Unterlagen über das vom Staat finanzierte Experiment einer Baumfarm.
    SIE wollten alles sehen, und SIE wollten es am 17. Oktober sehen. Das war in nur fünf Tagen.
    SIE .
    Der Brief war unterzeichnet vom Schatzmeister und vom Revisor des Staates und, was noch bedrohlicher war, vom Generalstaatsanwalt, dem obersten Gesetzeshüter von Maine. Und es waren eigenhändige Unterschriften, keine Namensstempel.
    »SIE«, flüsterte Keeton dem Brief zu. Er schüttelte ihn in der Faust, und er knisterte leise. Er bleckte ihn an. »SIIIIE!«
    Er klatschte den Brief auf die anderen. Er klappte die Akte zu. Das Etikett trug die säuberlich getippte Aufschrift: KORRESPONDENZ, OBERSTE FINANZBEHÖRDE VON MAINE. Keeton starrte einen Augenblick lang die geschlossene Akte an. Dann riß er einen Stift aus dem Ständer (die Garnitur war ein Geschenk der Handelskammer von Castle County gewesen) und schrieb in großen, zittrigen Buchstaben SCHEISSBEHÖRDE VON MAINE quer über die Akte. Er starrte sie einen Augenblick lang an, dann schrieb er ARSCHLOCHBEHÖRDE VON MAINE darunter. Er hielt den Stift in der geschlossenen Faust und schwang ihn wie ein Messer. Dann schleuderte er ihn durchs Zimmer. Er landete mit leisem Klappern in der Ecke.
    Keeton klappte auch die andere Akte zu, die mit den Kopien der Briefe, die er selbst geschrieben hatte (und die er immer mit den Kleinbuchstaben-Initialen seiner Sekretärin versah), Briefe, die er in langen, schlaflosen Nächten entworfen hatte, Briefe, die sich letzten Endes als vergeblich herausgestellt hatten. Eine Ader pulsierte stetig in der Mitte seiner Stirn.
    Er stand auf, ging mit den beiden Akten zum Schrank, legte sie in die unterste Schublade, knallte sie zu, vergewisserte sich, daß sie verschlossen war. Dann trat er ans Fenster und schaute auf die schlafende Stadt hinaus, atmete tief ein und versuchte, sich zu beruhigen.
    SIE waren hinter ihm her. Die VERFOLGER. Zum tausendsten Male fragte er sich, wer SIE zuerst auf ihn angesetzt hatte. Wenn er herausbekam, wer diese Person war, dieser dreckige Hauptverfolger, dann würde Keeton den Revolver unter den mottenzerfressenen Pullovern hervorholen und ihm den Garaus machen. Aber er würde es nicht schnell tun. O nein. Er würde ihm ein Stück nach dem anderen abschießen und den dreckigen Scheißkerl zwingen, dabei die Nationalhymne zu singen.
    Seine Gedanken wendeten sich dem mageren Deputy zu, Norris Ridgewick. Konnte er es gewesen sein? Er schien dazu nicht intelligent genug zu sein – aber der Schein konnte trügen. Pangborn hatte gesagt, Ridgewick hätte ihm das Strafmandat auf seine Anweisung hin verpaßt, aber das hieß nicht, daß es wahr war. Und in der Herrentoilette, als Ridgewick ihn Buster genannt hatte, da hatte in seinen Augen ein Ausdruck von wissender, höhnischer Verachtung gelegen. War Ridgewick in der Nähe gewesen, als die ersten Briefe von der Finanzbehörde eintrafen? Keeton war sich ziemlich sicher, daß das der Fall

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