In einer kleinen Stad
nicht nur ein Spielzeug.«
»Nein?«
»Nein. Wissen Sie, was ein Ouija-Brett ist?«
»Natürlich. Man stellt ihm Fragen, und dann buchstabiert es angeblich Antworten aus der Welt der Geister.«
»Stimmt genau. Nun, damals, in der Wirtschaftskrise, gab es eine Menge Rennplatz-Ganoven, die überzeugt waren, dieses Winning Ticket wäre das Ouija-Brett für Rennwetten.«
Seine Augen hefteten sich wieder auf die von Keeton, freundlich, lächelnd, und Keeton war ebensowenig imstande, den Blick abzuwenden, wie er imstande gewesen war, das eine Mal, als er es versucht hatte, die Rennbahn zu verlassen, bevor das letzte Rennen gelaufen war.
»Albern, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Keeton. Aber es schien überhaupt nicht albern zu sein. Es schien völlig – völlig...
Völlig einleuchtend zu sein.
Gaunt tastete in der Schachtel herum und brachte einen kleinen Blechschlüssel zum Vorschein. »Jedesmal gewinnt ein anderes Pferd. Ich nehme an, da drinnen ist irgendein Zufallsmechanismus – primitiv, aber wirksam genug. Und nun passen Sie auf.«
Er steckte den Schlüssel in ein Loch an der Seite des Blechgestells, auf dem die Pferde standen, und drehte ihn. Es gab ein leises Klicken und Klacken und Ratschen – Aufziehgeräusche. Als sich der Schlüssel nicht weiter drehen ließ, zog Gaunt ihn wieder heraus.
»Welches nehmen Sie?« fragte er.
»Die Fünf«, sagte Keeton. Er beugte sich vor, sein Herzschlag beschleunigte sich. Es war verrückt – und vermutlich der letzte Beweis für seine Besessenheit -, aber er spürte, wie das volle Maß der gewohnten Erregung ihn durchflutete.
»Gut, und ich nehme Pferd Nummer Sechs. Wollen wir eine kleine Wette abschließen, nur um es spannender zu machen?«
»Natürlich. Um wieviel?«
»Nicht um Geld«, sagte Gaunt. »Die Zeit, in der ich um Geld gewettet habe, ist lange vorbei, Mr. Keeton. Wetten um Geld sind die uninteressantesten Wetten, die es gibt. Sagen wir so: Wenn Ihr Pferd gewinnt, tue ich Ihnen einen kleinen Gefallen. Welchen Sie wollen. Wenn meines gewinnt, müssen Sie mir einen Gefallen tun.«
»Und wenn eines von den anderen gewinnt, ist die Wette nichtig?«
»So ist es. Sind Sie bereit?«
»Ja«, sagte Keeton nervös und beugte sich über die blecherne Rennbahn. Seine Hände lagen ineinander verkrampft zwischen seinen massigen Oberschenkeln.
Aus einem der Schlitze ragte neben der Startlinie ein kleiner Metallhebel heraus. »Und los geht’s« sagte Gaunt leise und drückte ihn nieder.
Die Zahnräder und Getriebe unter der Rennbahn begannen zu knirschen. Die Pferde entfernten sich von der Startlinie, glitten auf ihren jeweiligen Bahnen voran. Zuerst bewegten sie sich nur langsam und ruckhaft und schwankten in ihren Schlitzen vor und zurück, während sich irgendeine Hauptfeder – oder eine ganze Reihe von Federn – in dem Gestell ausdehnte, aber als sie sich der ersten Kurve näherten, wurden sie schneller.
Pferd Nummer Zwei übernahm die Führung, gefolgt von der Sieben; die anderen lagen weiter im Feld zurück.
»Nun mach schon, Fünf«, rief Keeton leise. »Los, Fünf, zieh los, du Biest!«
Als könnte es ihn hören, begann das kleine Blechpferd, sich aus dem Feld zu lösen. Auf halber Strecke hatte es die Sieben eingeholt. Auch die Sechs, für die Gaunt sich entschieden hatte, war schneller geworden.
Winning Ticket ratterte und vibrierte auf dem kleinen Tisch. Keetons Gesicht hing darüber wie ein großer, fleckiger Mond. Ein Tropfen Schweiß fiel auf den winzigen Blechjockey, der auf dem Pferd Nummer Drei saß; wenn es sich um einen wirklichen Mann gehandelt hätte, wären sowohl er als auch sein Pferd klatschnaß gewesen.
In der dritten Kurve legte Nummer Sieben einen Spurt ein und holte die Zwei ein, aber Keetons Nummer Fünf ließ sich nicht abschütteln, und Gaunts Sechs war ihr dicht auf den Fersen. Diese vier umrundeten, wild in ihren Schlitzen ratternd, die Kurve in einer Gruppe, die den anderen weit voraus war.
»Nun mach schon, du verdammtes Biest!« brüllte Keeton. Er hatte vergessen, daß dies Blech war, so geformt, daß es eine gewisse Ähnlichkeit mit Pferden hatte. Er hatte vergessen, daß er sich im Laden eines Mannes befand, dem er bisher noch nie begegnet war. Die alte Erregung hatte ihn gepackt. Sie schüttelte ihn, wie ein Terrier eine Ratte schüttelt. » Los, mach zu ! VORWÄRTS , du Biest . VORWÄRTS! Streng dich AN!«
Jetzt setzte sich die Nummer Fünf neben das Pferd an der Spitze – und übernahm die Führung. Gaunts
Weitere Kostenlose Bücher