In einer kleinen Stad
Pferd kam an seine Flanke heran, aber Keetons Pferd erreichte die Ziellinie als erstes – und siegte.
Der Mechanismus hatte sich fast abgespult, aber die meisten Pferde schafften es bis zurück zur Startlinie, bevor das Räderwerk endgültig aussetze. Gaunt benutzte einen Finger, um die Nachzügler für einen neuerlichen Start auf die gleiche Höhe zu bringen wie die anderen.
»Wow!« sagte Keeton und wischte sich über die Stirn. Er fühlte sich völlig ausgewrungen – aber er fühlte sich gleichzeitig wohler, als er sich seit langer Zeit gefühlt hatte. »Das war wirklich toll.«
»Ganz Ihrer Meinung«, pflichtete Gaunt ihm bei.
»Damals haben die Leute noch gewußt, wie man so etwas baut, nicht wahr?«
»So ist es«, stimmte Gaunt ihm lächelnd zu. »Und es sieht so aus, als schuldete ich Ihnen einen Gefallen, Mr. Keeton.«
»Ach, vergessen Sie es – das war doch nur Spaß.«
»Nein, kommt nicht in Frage. Ein Gentleman bezahlt immer seine Schulden. Lassen Sie es mich nur rechtzeitig wissen, ein oder zwei Tage bevor Sie Ihren Schuldschein präsentieren, wie man so sagt.«
Bevor Sie Ihren Schuldschein präsentieren.
Das ließ alles wieder auf ihn einstürzen. Schuldscheine! SIE hatten seine. SIE! Am Donnerstag. Dann würden SIE seine Schuldscheine präsentieren – und was dann? Was dann?
Visionen vernichtender Schlagzeilen tanzten in seinem Kopf.
»Würden Sie gern wissen, wie die ernsthaften Wetter in den Dreißigern dieses Spielzeug benutzten?« fragte Gaunt leise.
»Sicher«, sagte Keeton, aber es interessierte ihn nicht, nicht wirklich – bis er aufschaute. Dann richteten sich Gaunts Augen wieder auf die seinen, hefteten sich wieder an sie, und der Gedanke, mit Hilfe eines Kinderspielzeugs Sieger zu ermitteln, kam ihm wieder völlig vernünftig vor.
»Nun«, sagte Gaunt, »sie nahmen die Tageszeitung oder Racing Form und spielten die Rennen durch, eines nach dem anderen. Auf diesem Ding hier. Sie gaben jedem Pferd in jedem Rennen einen Namen aus der Zeitung – sie taten es, indem sie eines der Blechpferde berührten und dabei den Namen sagten -, und dann zogen sie das Ding auf und ließen die Pferde starten. Auf diese Weise spielten sie die ganze Liste durch – acht, zehn, sogar zwölf Rennen. Dann gingen sie auf die Rennbahn und setzten auf die Pferde, die zu Hause gewonnen hatten.«
»Hat es funktioniert?« fragte Keeton. Ihm war, als käme seine Stimme von irgendeinem anderen Ort. Einem weit entfernten Ort. Er schien in Leland Gaunts Augen zu schweben. Auf rotem Schaum zu schweben. Das Gefühl war seltsam, aber eigentlich recht angenehm.
»Es scheint so«, sagte Gaunt. »Wahrscheinlich nichts als dummer Aberglaube, aber – möchten Sie dieses Spiel kaufen und es selbst ausprobieren?«
»Ja«, sagte Keeton.
»Sie sind ein Mann, der eine Gewinnsträhne dringend braucht, stimmt’s, Danforth?«
»Ich brauche mehr als nur eine. Ich brauche eine ganze Wagenladung. Wieviel?«
Leland Gaunt lachte. »O nein – auf diese Weise kriegen Sie mich nicht! Nicht, wo ich ohnehin schon in Ihrer Schuld stehe. Wissen Sie was – öffnen Sie Ihre Brieftasche und geben Sie mir den ersten Geldschein, den Sie darin finden. Ich bin sicher, es wird der richtige sein.«
Also öffnete Keeton seine Brieftasche und zog einen Geldschein heraus, ohne den Blick von Gaunts Gesicht abzuwenden, und natürlich war es eine Zwei-Dollar-Note – genau so ein Geldschein wie der, mit dem seine ganzen Probleme angefangen hatten.
5
Gaunt ließ ihn so behende verschwinden wie ein Illusionist, der einen Trick vorführt, und sagte: »Da ist noch etwas.«
»Was?«
Gaunt beugte sich vor. Er musterte Keeton eindringlich, und berührte sein Knie. »Mr. Keeton, wissen Sie Bescheid über – SIE?«
Keetons Atem stockte, so, wie der Atem eines Schlafenden gelegentlich stockt, wenn er von einem bösen Traum heimgesucht wird. »Ja«, flüsterte er. »Gott, ja.«
»Diese Stadt ist voll von IHNEN«, fuhr Gaunt mit derselben, leisen, vertraulichen Stimme fort. »Regelrecht überschwemmt. Es ist noch keine Woche her, seit ich meinen Laden eröffnet habe, aber ich weiß es bereits. Ich glaube, SIE sind hinter mir her. Ich bin sogar ziemlich sicher. Es kann sein, daß ich Ihre Hilfe brauche.«
»Ja«, sagte Keeton. Jetzt war seine Stimme kräftiger. »Bei Gott, Sie sollen all die Hilfe bekommen, die Sie brauchen!«
»Nun, Sie haben mich gerade erst kennengelernt, und Sie sind mir nicht das mindeste schuldig...«
Keeton, der
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