In einer kleinen Stad
imstande, in ihrer Manteltasche nach einem Kleenex zu suchen, mit dem sie sich das Blut aus dem Gesicht wischen konnte. Sie fand eines; außerdem stellte sie fest, daß der Schlüssel zu Busters Haus nicht mehr da war. Vielleicht war er ihr aus der Tasche gefallen, als sie bergab rannte, obwohl sie es für wahrscheinlicher hielt, daß sie ihn in der Haustür hatte stecken lassen. Aber was spielte das schon für eine Rolle? Sie war herausgekommen, bevor Buster sie gesehen hatte, und das war das einzig Wichtige. Sie dankte Gott, daß Mr. Gaunts Stimme gerade noch rechtzeitig zu ihr gesprochen hatte, wobei sie vergaß, daß sie nur auf Mr. Gaunts Anweisung in Busters Haus gewesen war.
Sie betrachtete das verschmierte Blut auf dem Kleenex und kam zu dem Schluß, daß die Wunde wohl nicht so schlimm war, wie sie hätte sein können. Die Blutung schien nachzulassen. Das Seitenstechen verschwand gleichfalls. Sie stieß sich von der Mauer ab und begann, mit gesenktem Kopf, damit man die Verletzung nicht sah, nach Hause zu trotten.
Zuhause, das war es, woran sie denken mußte. Zuhause und ihr wunderschöner Buntglas-Lampenschirm. Zuhause und der Superfilm. Zuhause und Raider. Wenn sie zu Hause war, bei verschlossener Tür, heruntergezogenen Jalousien, eingeschaltetem Fernseher und Raider zu ihren Füßen, dann würde ihr das alles vorkommen wie ein gräßlicher Traum – ein Traum von der Art, wie sie sie in Juniper Hill gehabt hatte, nachdem sie ihren Mann umgebracht hatte.
Zuhause, das war der Ort, an den sie gehörte.
Nettie ging ein wenig schneller. Sie würde bald dort sein.
11
Pete und Wilma Jerzyck hatten nach der Messe bei den Pulaskis einen leichten Lunch zu sich genommen, und danach hatten sich Pete und Jake Pulaski vor dem Fernseher niedergelassen, um sich anzusehen, wie die Patriots irgendwelche New Yorker in die Mangel nahmen. Wilma interessierte sich nicht im mindesten für Football – und ebensowenig für Baseball, Basketball oder Hockey. Der einzige Sport, der ihr gefiel, war Ringen, und obwohl Pete es nicht wußte, hätte Wilma ihn für Chief Jay Strongbow im Handumdrehen verlassen.
Sie half Frieda beim Abwaschen, dann erklärte sie, sie wollte nach Hause und sich den Rest des sonntäglichen Superfilms ansehen – es war On the Beach mit Gregory Peck. Sie teilte Pete mit, daß sie den Wagen nehmen würde.
»Okay«, sagte er, ohne die Augen vom Fernseher abzuwenden. »Mir macht es nichts aus, zu laufen.«
»Dein Glück«, murmelte sie fast unhörbar, als sie hinausging.
Wilma war tatsächlich einmal guter Laune, und das hatte mit der Kasino-Nacht zu tun. Father John hatte den Rückzieher, den sie von ihm erwartet hatte, nicht gemacht, und die Miene, mit der er an diesem Morgen über das Thema »Jeder bestelle seinen eigenen Acker«, gepredigt hatte, hatte ihr gefallen. Sein Ton war sanft wie immer, aber an seinen blauen Augen und dem vorgereckten Kinn war nichts sanft gewesen. Auch hatten all die weit hergeholten Ackerbau-Metaphern weder Wilma noch sonst jemanden über das hinwegtäuschen können, was er in Wirklichkeit sagte: Wenn die Baptisten darauf bestanden, ihre kollektive Nase ins Rübenfeld der Katholiken zu stecken, dann würden sie einen Tritt in den kollektiven Hintern bekommen.
Der Gedanke an einen Tritt in den Hintern (zumal in diesem Ausmaß) versetzte Wilma in gute Laune.
Und die Aussicht auf Tritte in den Hintern (zumal in diesem Ausmaß) versetzte Wilma immer in gute Laune.
Und die Aussicht auf Tritte in den Hintern war nicht das einzige Vergnügen an Wilmas Sonntag. Sie hatte ausnahmsweise einmal kein schweres Mittagessen zu kochen brauchen, und Pete war bei Jake und Frieda gut aufgehoben. Wenn sie Glück hatte, würde er den ganzen Nachmittag damit verbringen, sich anzuschauen, wie Männer versuchten, sich gegenseitig die Milz zu zerreißen, und sie konnte sich in Ruhe den Film ansehen. Vielleicht würde sie vorher noch ihre alte Freundin Nettie anrufen. Sie war überzeugt, daß sie der verrückten Nettie gründlich eingeheizt hatte, und das war schön und gut – für den Anfang. Aber nur für den Anfang. Nettie hatte immer noch für die verdreckten Laken zu bezahlen, ob sie es wußte oder nicht. Es war an der Zeit, einige weitere Schritte gegen Miss Geisteskrank von 1991 zu unternehmen. Dieser Plan erfüllte Wilma mit Vorfreude, und sie fuhr nach Hause, so schnell sie konnte.
12
Wie im Traum ging Danforth Keeton zum Kühlschrank und riß den rosa Zettel ab, der
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