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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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nicht auf. Sie schien zu klemmen.
    Von der Garage kam ein lauter Knall, als Keeton die Tür seines Wagens zuschlug. Dann das Rasseln des motorgetriebenen Garagentors, das sich in seinen Schienen herabsenkte. Sie hörte seine auf dem Beton knirschenden Schritte. Buster pfiff.
    Netties verzweifelter Blick, teilweise durch Blut aus der Schnittwunde auf ihrer Stirn getrübt, fiel auf den Verriegelungsknopf. Er war umgedreht. Deshalb ging die Tür nicht auf. Sie mußte ihn selbst umgedreht haben, als sie hereinkam, aber sie konnte sich nicht erinnern, es getan zu haben. Sie drehte ihn zurück, riß die Tür auf und trat hinaus.
    Kaum eine Sekunde später wurde die Tür zwischen der Garage und der Küche geöffnet. Danforth Keeton trat ein, knöpfte seinen Mantel auf. Er blieb stehen. Das Pfeifen erstarb auf seinen Lippen. Er stand da, mit Händen, die beim Aufknöpfen erstarrt waren, mit nach wie vor geschürzten Lippen, und ließ den Blick über die Küche schweifen. Seine Augen weiteten sich.
    Wäre er sofort ans Wohnzimmerfenster getreten, dann hätte er gesehen, wie Nettie über seinen Rasen rannte und ihr Mantel sich um sie bauschte wie die Flügel einer Fledermaus. Er hätte sie vielleicht nicht erkannt, aber er hätte bestimmt gesehen, daß es sich um eine Frau handelte, und das hätte die späteren Ereignisse möglicherweise entscheidend beeinflußt. Aber der Anblick all dieser rosa Zettel bewirkte, daß er wie erstarrt stehenblieb, und im ersten Schock war sein Verstand nur imstande, zwei Worte zu formulieren. Sie flackerten in seinem Kopf, gingen an und aus wie eine riesige Neonschrift mit grell scharlachroten Buchstaben:
    DIE VERFOLGER! DIE VERFOLGER! DIE VERFOLGER!

10
     
    Nettie erreichte den Gehsteig und rannte Castle View hinunter, so schnell sie konnte. Die Absätze ihrer Mokassins trommelten einen verängstigten Wirbel, und ihre Ohren überzeugten sie, daß sie außer ihren noch weitere Schritte hörte – Buster war hinter ihr, Buster jagte sie, und wenn Buster sie einholte, dann würde er ihr wehtun. Aber das spielte keine Rolle. Es spielte keine Rolle, weil er zu Schlimmerem imstande war, als ihr nur wehzutun. Buster war ein wichtiger Mann in der Stadt, und wenn er wollte, daß sie wieder nach Juniper Hill geschickt würde, dann würde sie hingeschickt werden. Also rannte Nettie. Blut rann ihr über die Stirn und ins Auge, und einen Augenblick lang sah sie die Welt durch eine blaßrote Linse, als sickerte aus all den hübschen Häusern auf dem View Blut heraus. Sie wischte es mit dem Mantelärmel fort und rannte weiter.
    Der Gehsteig war menschenleer, und die meisten Augen in den Häusern, die an diesem Sonntagnachmittag beschäftigt waren, richteten sich auf das Spiel zwischen den Patriots und den Jets. Es gab nur eine Person, die Nettie sah.
    Tansy Williams, gerade aus Portland zurückgekehrt, wo sie und ihre Mommy den Großvater besucht hatten, schaute aus dem Wohnzimmerfenster, lutschte einen Lolly und hielt ihren Teddy Owen unter dem linken Arm, als Nettie beflügelten Schrittes vorbeistürmte.
    »Mommy, gerade ist eine Lady vorbeigerannt«, verkündete Tansy.
    Amanda saß mit Myrtle Keeton in der Küche. Beide hatten eine Tasse Kaffee. Der Fonduetopf stand zwischen ihnen auf dem Tisch. Myrtle hatte gerade gefragt, ob es irgendwelche städtischen Angelegenheiten gäbe, von denen Dan wissen müßte, und diese Frage kam Amanda sehr merkwürdig vor. Wenn Buster etwas wissen wollte – weshalb war er dann nicht mit hereingekommen? Und was das anging – wieso überhaupt eine derartige Frage am Sonntagnachmittag?
    »Liebling, Mommy unterhält sich mir Mrs. Keeton.«
    »Sie hatte Blut im Gesicht«, verkündete Tansy.
    Amanda lächelte Myrtle an. »Ich habe Buddy gesagt, wenn er schon dieses Fatal Attraction ausleihen müßte, dann sollte er es sich erst anschauen, wenn Tansy im Bett ist.«
    Inzwischen rannte Nettie weiter. Als sie die Kreuzung von Castle View und Laurel Street erreicht hatte, mußte sie erst einmal stehenbleiben. Die Öffentliche Bibliothek stand hier, und der Rasen davor war mit einer gerundeten Steinmauer umgeben. Sie lehnte sich dagegen und rang keuchend nach Atem, während der Wind an ihrem Mantel zerrte. Ihre Hände drückten auf die linke Bauchhälfte, wo sie heftiges Seitenstechen hatte.
    Sie schaute zurück, die Anhöhe hinauf, und sah, daß die Straße leer war. Buster war ihr doch nicht gefolgt; das hatte sie sich nur eingebildet. Ein paar Augenblicke später war sie

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