In einer kleinen Stad
weinte sie. »Oh, mein kleines Hündchen! Nein! O nein!« Sie wiegte ihn an ihrer Brust, versuchte, ihn mit ihrer Wärme ins Leben zurückzubringen, aber wie es schien, hatte sie keinerlei Wärme zu spenden. Ihr war kalt. Kalt.
Einige Zeit später legte sie das tote Tier wieder auf den Dielenfußboden und tastete herum, bis sie das Schweizer Armeemesser mit dem aus dem Griff herausragenden Korkenzieher gefunden hatte. Sie hob es benommen auf, aber ein Teil der Benommenheit verließ sie, als sie sah, daß auf die Mordwaffe ein Zettel aufgespießt worden war. Sie zog ihn mit tauben Fingern ab und hielt ihn dicht vor die Augen. Das Papier war steif vom Blut ihres armen Hündchens, aber die Worte, die darauf standen, konnte sie trotzdem lesen:
Langsam wich der Ausdruck von abgrundtiefer Verzweiflung und Entsetzen aus Netties Augen. An seine Stelle trat eine grausige Art von Intelligenz, funkelnd wie angelaufenes Silber. Ihre Wangen, die so bleich geworden waren wie Milch, röteten sich, als sie endlich begriffen hatte, was vorgefallen war. Ihre Lippen wichen langsam von ihren Zähnen zurück. Zwei rauhe Worte kamen aus ihrem offenen Mund, heiß und heiser und rasselnd:
»Du -Miststück!«
Sie zerknüllte den Zettel in der Faust und warf ihn an die Wand. Er prallte ab und landete neben dem toten Tier. Nettie stürzte sich darauf, hob ihn auf und spuckte darauf. Dann warf sie ihn wieder fort. Sie stand auf und ging langsam in die Küche. Ihre Hände öffneten sich, schlossen sich dann wieder zu Fäusten, öffneten sich und krampften sich wieder zusammen.
14
Wilma Jerzyck lenkte ihren kleinen gelben Yugo in ihre Auffahrt, stieg aus, ging auf die Haustür zu und suchte gleichzeitig in ihrer Handtasche nach dem Hausschlüssel. Dabei summte sie leise »Love Makes the World Go Round«. Sie fand den Schlüssel, steckte ihn ins Schloß – und hielt inne, weil sie aus dem Augenwinkel heraus eine ungewöhnliche Bewegung wahrgenommen hatte. Sie schaute nach rechts und starrte auf das, was sie dort sah.
Die Wohnzimmergardinen flatterten im frischen Nachmittagswind. Sie flatterten außerhalb des Hauses. Und der Grund dafür, daß sie außerhalb des Hauses flatterten, war, daß das große Aussichtsfenster, das zu ersetzen die Clooneys vierhundert Dollar gekostet hatte, nachdem ihr idiotischer Sohn es vor drei Jahren mit seinem Baseball eingeworfen hatte, zerschmettert war. Von dem Loch in der Mitte aus zeigten lange Glaspfeile ins Innere.
»Verdammter Mist!« rief Wilma und drehte den Schlüssel so rabiat im Schloß, daß sie ihn fast abgebrochen hätte.
Sie stürmte ins Haus, packte die Tür, um sie hinter sich zuzuschlagen, dann erstarrte sie. Zum erstenmal in ihrem Erwachsenenleben war Wilma Wadlowski Jerzyck so geschockt, daß sie zu keiner Bewegung imstande war.
Das Wohnzimmer war ein Chaos. Ihr Fernseher – das wundervolle Großschirmgerät, auf das sie noch elf Raten zu zahlen hatte – war zertrümmert. Die Innereien waren schwarz und qualmten. Die Bildröhre lag in tausend winzigen Splittern auf dem Teppich. An der gegenüberliegenden Wohnzimmerwand war ein Stück vom Verputz herausgeschlagen. Unter dem Loch lag ein Päckchen von der Form eines Brotlaibs. Ein weiteres lag an der Schwelle zur Küche.
Sie näherte sich dem Gegenstand auf der Schwelle. Ein Teil ihres noch nicht wieder richtig funktionierenden Verstandes mahnte zu höchster Vorsicht – es konnte sich um eine Bombe handeln. Als sie den Fernseher passierte, stieg ihr ein heißer, widerlicher Geruch in die Nase – eine Mischung aus versengter Isolierung und verbranntem Speck.
Sie hockte sich vor dem Päckchen auf der Schwelle nieder und sah, daß es gar kein Päckchen war. Es war ein Stein mit einem darumgewickelten Blatt Notizpapier, das von einem Gummiband gehalten wurde. Sie wickelte das Papier ab und las, was daraufstand:
Nachdem sie es zweimal gelesen hatte, fiel ihr Blick auf den anderen Stein. Sie ging hinüber und wickelte das von Gummibändern gehaltene Blatt ab. Dasselbe Papier, dieselbe Botschaft.
Sie stand auf, hielt in jeder Hand eines der zerknitterten Blätter, schaute immer wieder vom einen zum anderen, und ihre Augen bewegten sich wie die einer Frau, die einem Spiel um die Meisterschaft im Tischtennis zusieht.
»Nettie«, sagte sie. »Dieses Dreckstück.«
Sie betrat die Küche und sog mit zusammengebissenen Zähnen den Atem ein. Als sie den Stein aus der Mikrowelle herausholte, schnitt sie sich an einem Glassplitter
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