In einer kleinen Stad
ganz so gewesen, aber mir erscheint es einleuchtend.«
Die Worte waren noch nicht richtig aus seinem Mund heraus, als er erkannte, daß dies eine Lüge war. Sie erschienen nicht einleuchtend, das war das Problem. Sie hätten einleuchtend sein sollen, er wünschte sich, daß sie einleuchtend gewesen wären, aber sie waren es nicht. Und was ihn verrückt machte, war die Tatsache, daß es keinen Grund gab für dieses Gefühl, daß daran etwas falsch war, zumindest keinen, auf den er den Finger hätte legen können. Was ihm am nächsten kam, war die Frage, ob Nettie wirklich so sorglos gewesen war, nicht nur ihre Tür nicht abzuschließen, sondern sich nicht einmal zu vergewissern, daß sie fest geschlossen war, wenn sie, was Wilma Jerzyck anging, wirklich so verängstigt war, wie es den Anschein hatte – und das genügte nicht, um einen Verdacht daran aufzuhängen. Es genügte nicht, weil Nettie nicht ganz normal war und man keinerlei Vermutungen darüber anstellen konnte, was eine solche Person tun oder nicht tun würde...
»Was hat Wilma getan?« fragte Norris. »Das Haus verwüstet?«
»Sie hat Netties Hund umgebracht.«
» Wie bitte? «
»Sie haben gehört, was ich gesagt habe.«
»Jesus! So ein Miststück!«
»Nun, das war uns nicht neu, nicht wahr?«
»Ja, aber trotzdem...«
Da war es wieder. Sogar von Norris Ridgewick, bei dem man sich nach all diesen Jahren noch immer darauf verlassen konnte, daß er mit mindestens zwanzig Prozent seines Papierkrams nicht fertig wurde: »ja, aber trotzdem. «
»Sie hat es mit einem Schweizer Armeemesser getan. Genau gesagt, mit dem Korkenzieher, auf den sie einen Zettel gespießt hatte, des Inhalts, das wäre der Lohn dafür, daß Nettie ihre Laken mit Schlamm beworfen hätte. Also ging Nettie zu Wilmas Haus, mit einem Haufen Steine, an denen sie mit Gummibändern ihre eigenen Zettel befestigt hatte. Auf den Zetteln stand, dies wäre ihre letzte Warnung. Sie warf sie durch sämtliche Erdgeschoßfenster der Jerzycks.«
»Großer Gott«, sagte Norris, nicht ohne eine Spur von Bewunderung.
»Die Jerzycks haben das Haus gegen halb elf verlassen, um zur Elf-Uhr-Messe zu gehen. Nach der Messe haben sie bei den Pulaskis gegessen. Pete Jerzyck blieb dort, um sich zusammen mit Jake Pulaski das Spiel der Patriots anzusehen. Er hatte also diesmal keine Möglichkeit, Wilma zur Vernunft zu bringen.«
»Haben sie sich zufällig an dieser Ecke getroffen?« fragte Norris.
»Das bezweifle ich. Ich nehme an, Wilma kam nach Hause, sah den Schaden und rief Nettie heraus.«
»Sie meinen, wie zu einem Duell?«
»Genau das meine ich.«
Norris pfiff, dann stand er ein paar Augenblicke lang ganz still da, hielt die Hände hinter dem Rücken verschränkt und starrte in die Dunkelheit.
»Alan, weshalb müssen wir überhaupt bei diesen verdammten Autopsien dabei sein?« fragte er schließlich.
»Protokoll, nehme ich an«, sagte Alan, aber es war mehr als das – zumindest für ihn.
Wenn einem nicht gefiel, wie ein Fall aussah oder sich anfühlte (wie jetzt, wo ihm nicht gefiel, wie der Fall aussah und wie er sich anfühlte), dann sah man vielleicht etwas, das das Gehirn aus dem Leerlauf wieder in den Vorwärtsgang schaltete. Man sah vielleicht einen Haken, an dem man seinen Hut aufhängen konnte.
»Nun, dann wird es allmählich Zeit, daß das County einen Protokollbeamten einstellt«, knurrte Norris, und Alan lachte.
Aber innerlich lachte er nicht – nicht nur, weil die Geschichte Polly in den nächsten Tagen schwer zusetzen würde. Irgend etwas an dem Fall stimmte nicht. Oberflächlich gesehen schien alles zu stimmen, aber irgendwo tief drinnen, wo der Instinkt sich regte (und manchmal ins Schwarze traf), schienen die kleinen grünen Männchen vom Mars mehr Sinn zu ergeben. Zumindest für Alan.
Also, weißt du! Hast du es nicht gerade Norris dargelegt, von A bis Z, in der Zeit, die man braucht, um eine Zigarette zu rauchen?
Ja, das hatte er getan. Das war ein Teil des Problems. Trafen sich zwei Frauen, selbst wenn die eine halb verrückt war und die andere eine niederträchtige Giftnudel, aus derart simplen Gründen an einer Straßenecke und zerfetzten sich gegenseitig, als wären sie bis zum Stehkragen voll Crack?
Alan wußte es nicht. Und weil er es nicht wußte, warf er die Zigarette fort und fing an, sich die ganze Sache noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen.
2
Für Alan hatte es mit einem Anruf von Andy Clutterbuck angefangen. Er hatte gerade das Spiel zwischen
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