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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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was über die beiden Frauen vorlag. Netties Liste war kurz – ein Punkt. Sie war übergeschnappt und hatte ihren Mann umgebracht. Ende der Geschichte. Keine Ausbrüche davor und danach, einschließlich der letzten Jahre, seit sie wieder in der Stadt lebte. Ganz anders Wilma. Sie hatte nie jemanden umgebracht, aber die Liste der Beschwerden – sowohl von ihr als auch über sie – war lang und ging zurück bis zu ihrer Schulzeit auf der Castle Rock Junior High School, wo sie einer Lehrerin ein blaues Auge verpaßt hatte, weil diese sie hatte nachsitzen lassen. In zwei Fällen hatten verängstigte Frauen, die das Pech gehabt hatten, auf Wilmas Schwarze Liste zu geraten, um Polizeischutz gebeten. Außerdem war Wilma im Laufe der Jahre dreimal wegen Körperverletzung angeklagt worden. Alle Anklagen waren schließlich fallengelassen worden, aber man brauchte sich nicht sonderlich eingehend mit ihr befaßt zu haben, um zu erkennen, daß niemand, der bei klarem Verstand war, sich ausgerechnet mit Wilma Jerzyck angelegt hätte.
    »Sie waren schlechte Medizin füreinander«, murmelte Norris.
    »Die schlechteste, die man sich vorstellen kann.«
    »Ihr Mann hat Wilma ausgeredet, zu Nettie hinüberzugehen, als sie es das erstemal wollte?«
    »Er war klug genug, das gar nicht erst zu versuchen. Er erzählte Clut, er hätte zwei Xanax in eine Tasse Tee getan, und das hätte ihren Thermostaten gesenkt. Jerzyck hat sogar gesagt, er hätte geglaubt, damit wäre der Fall erledigt.«
    »Glauben Sie ihm?«
    »Ja -das heißt, soweit ich jemandem glauben kann, ohne selbst mit ihm gesprochen zu haben.«
    »Was ist das für ein Zeug, das er in ihren Tee getan hat? Eine Droge?«
    »Ein Beruhigungsmittel. Jerzyck hat erklärt, er hätte es schon mehrfach benutzt, wenn sie zu wütend wurde, und es hätte sie recht gut abgekühlt. Er hat gesagt, er glaubte, das wäre auch diesmal der Fall gewesen.«
    »Aber das war es nicht.«
    »Ich glaube, anfangs doch. Jedenfalls ist Wilma nicht sofort hinübergegangen und über Nettie hergefallen. Aber ich bin ziemlich sicher, daß sie Nettie auch weiterhin zugesetzt hat; sie hatte damit angefangen, als es nur der bellende Hund war, um dessentwillen sie sich in den Haaren lagen. Anrufe. Vorbeifahren an ihrem Haus. Dinge dieser Art. Nettie hatte eine ziemlich dünne Haut. Dergleichen hätte sie gewaltig mitgenommen. John LaPointe und die Kriminalbeamten, denen ich ihn zugewiesen hatte, waren gegen sieben bei Polly. Polly sagte, sie wäre ziemlich sicher, daß Nettie wegen irgend etwas beunruhigt war. Sie hat Polly heute morgen besucht, und da hat sie irgendeine Bemerkung gemacht. Aber Polly hat nicht verstanden, was sie meinte.« Alan seufzte. »Vermutlich wünscht sie sich jetzt, etwas genauer hingehört zu haben.«
    »Wie nimmt Polly es auf, Alan?«
    »So einigermaßen, nehme ich an.« Er hatte zweimal mit ihr telefoniert, einmal von einem Haus in der Nähe des Tatortes und ein zweites Mal von hier im Krankenhaus, kurz nachdem er und Norris angekommen waren. Beide Male war ihre Stimme ruhig und beherrscht gewesen, aber er hatte die Tränen und die Fassungslosigkeit hinter der sorgfältig aufrechterhaltenen Fassade gespürt. Er war nicht übermäßig überrascht gewesen, als sich bei seinem ersten Anruf herausstellte, daß sie bereits das meiste von dem wußte, was passiert war; Neuigkeiten, besonders schlechte Neuigkeiten, machen in einer kleinen Stadt schnell die Runde.
    »Was hat den großen Knall ausgelöst?«
    Alan warf Norris einen überraschten Blick zu, und dann wurde ihm klar, daß er es noch nicht wissen konnte. Alan hatte von John LaPointe zwischen den Autopsien einen mehr oder minder vollständigen Bericht erhalten, während Norris von einem anderen Apparat aus mit Sheila Brigham gesprochen und sich darüber informiert hatte, was gegen die beiden Frauen vorlag.
    »Eine von den beiden beschloß, richtig aufzudrehen«, sagte er. »Ich vermute, daß es Wilma war, aber die Details sind noch verschwommen. Offenbar erschien Wilma heute morgen bei Nettie, während Nettie Polly besuchte. Nettie muß gegangen sein, ohne ihre Haustür zu verschließen oder auch nur fest zuzumachen, und der Wind wehte sie auf – Sie wissen ja, wie windig es heute war.«
    »Ja.«
    »Also hat es vielleicht damit angefangen, daß sie nur wieder einmal vorbeifahren wollte, um Netties Wasser am Kochen zu halten. Dann sah Wilmas, daß sie Tür offenstand, und aus dem Vorbeifahren wurde etwas anderes. Vielleicht ist es nicht

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