In einer kleinen Stad
Erden, an dem er sich heute nacht befinden wollte.
Der Hausmeister schaute auf, als Alan herankam, und stellte die Maschine ab.
»Sie sehen aus, als ginge es Ihnen nicht besonders gut«, begrüßte er Alan.
»Das wundert mich nicht. Haben Sie eine Zigarette für mich?«
Der Hausmeister holte ein Päckchen Luckies aus der Brusttasche und schüttelte eine für Alan heraus. »Aber hier drinnen dürfen Sie nicht rauchen«, sagte er und wies mit einem Kopfrucken auf die Tür der Leichenhalle. »Doc Ryan würde aus der Haut fahren.«
Alan nickte. »Wo?«
Der Hausmeister führte ihn zu einem abzweigenden Flur und deutete auf eine Tür. »Die führt auf die Gasse hinaus. Aber halten Sie sie mit irgend etwas offen, sonst müssen Sie, wenn Sie wieder hereinwollen, um den ganzen Komplex herum bis zum Haupteingang laufen. Haben Sie Streichhölzer?«
Alan machte sich auf den Weg. »Ich habe ein Feuerzeug. Danke für die Zigarette.«
»Ich habe gehört, heute abend wären es gleich zwei auf einmal gewesen«, rief der Hausmeister ihm nach.
»Das stimmt«, sagte Alan, ohne sich umzudrehen.
»Autopsien sind eine Pest, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Alan.
Hinter ihm setzte das leise Dröhnen der Bohnermaschine wieder ein. Sie waren in der Tat eine Pest. Die Autopsien an Nettie Cobb und Wilma Jerzyck waren die dreiundzwanzigste und die vierundzwanzigste seiner beruflichen Existenz gewesen, und sie waren alle eine Pest gewesen; aber diese beiden waren bei weitem die schlimmsten.
Die Tür, auf die der Hausmeister gedeutet hatte, war mit einem Schnappschloß ausgerüstet. Alan schaute sich um nach etwas, womit er sie offenhalten konnte, und fand nichts. Er zog den grünen Kittel aus, rollte ihn zusammen und öffnete die Tür. Nachtluft schlug ihm entgegen, kühl, aber unglaublich erfrischend nach dem schalen Alkoholgeruch der Leichenhalle und des angrenzenden Autopsieraums. Alan legte den zusammengerollten Kittel zwischen Tür und Pfosten und trat hinaus. Er ließ die Tür behutsam zuschwingen, stellte fest, daß der Kittel ihr Zuschnappen verhinderte, dann vergaß er sie. Er lehnte sich neben dem durch die spaltbreit offene Tür herausfallenden bleistiftdünnen Lichtstreifen an die Schlackensteinwand und zündete seine Zigarette an.
Nach dem ersten Zug fühlte sich sein Kopf ein wenig schwindlig an. Seit fast zwei Jahren versuchte er, das Rauchen aufzugeben, und jedesmal, wenn er es fast geschafft hatte, passierte irgend etwas. Das war sowohl Fluch als auch Segen der Polizeiarbeit: es passierte immer irgend etwas.
Er schaute hoch zu den Sternen, die er gewöhnlich als beruhigend empfand, und konnte nicht viele sehen – die Hochleistungslampen, die das Krankenhaus umgaben, ließen sie verblassen. Er konnte den Großen Bären erkennen, Orion und einen schwach rötlichen Punkt, bei dem es sich wahrscheinlich um Mars handelte, aber das war alles.
Mars, dachte er. Das war’s, ganz bestimmt. Die kleinen grü nen Männchen vom Mars sind gegen Mittag in Castle Rock gelandet, und die ersten Leute, denen sie begegneten, waren Nettie Cobb und die Jerzyck. Die kleinen grünen Männchen haben sie gebissen, und sie wurden tollwütig. Das ist das einzige, was einen Sinn ergibt.
Er dachte daran, hineinzugehen und es Henry Ryan mitzuteilen, dem Obersten Gerichtsmediziner des Staates Maine. Es war ein Fall von außerirdischer Einmischung, Doc. Der Fall ist abgeschlossen.
Alan tat einen tiefen Zug an seiner Zigarette. Sie schmeckte großartig, trotz des leichten Schwindelgefühls, und er glaubte zu verstehen, weshalb das Rauchen jetzt in den der Öffentlichkeit zugänglichen Teilen sämtlicher Krankenhäuser in Amerika verboten war. John Calvin hatte hundertprozentig recht gehabt: nichts, das bewirkte, daß man sich so fühlte, konnte einem gut tun. Also: her mit dem Nikotin, Boß – es schmeckt so großartig.
Er dachte müßig darüber nach, wie schön es sein würde, eine ganze Stange von diesen Luckies zu kaufen, sie an beiden Enden aufzureißen und das ganze verdammte Ding dann mit einer Lötlampe anzuzünden. Er dachte daran, wie schön es sein würde, sich zu betrinken. Aber vermutlich wäre dies ein sehr schlechter Moment, um sich zu betrinken. Eine weitere, unumstößliche Lebensregel: Wenn man wirklich das Bedürfnis hat, sich zu betrinken, kann man es sich nicht erlauben. Alan schoß der Gedanke durch den Kopf, ob nicht vielleicht die Alkoholiker dieser Welt die einzigen Menschen waren, die ihre Prioritäten richtig
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